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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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seiner Ziele war ihm jedes Mittel recht. Angeblich hatte sogar schon Kaiser Karl ein Auge auf ihn geworfen, damit der Spanier sich um die Converso-Angelegenheiten im ganzen Reich kümmere. Obwohl Aragon sich seinen goldenen Anzug nie schmutzig machte, war er darum in der marranischen Gemeinde genauso gefürchtet wie die Dominikaner. Er zögerte keine Sekunde, die Folter zur Anwendung zu bringen, wenn er damit ein Geständnis erpressen konnte.
    Francisco machte sich keine Illusionen. Die Verlegung in eine Einzelzelle war ein deutlicher Hinweis darauf, was der Kommissar vorhatte. Jeder Gefangene, der unter die Folter kam, wurde zuvor aus dem Gemeinschaftsverlies in Einzelhaft überführt. »Kommen wir allmählich ins Geschäft?« Aragon setzte wieder sein Lächeln auf. »Der König ist Euer Freund, er würde nur ungern auf Eure Dienste verzichten. Außerdem will er die Inquisition so wenig wie Ihr, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Enrique Nunes noch tausend Jahre in seiner Kloake bleiben können. Aber jetzt, da der gottverdammte Kerl wiederauferstanden ist, brauchen wir einen Schuldigen, oder, wie ihr Juden so schön sagt: einen Sündenbock, den wir in die Wüste schicken können beziehungsweise aufs Schafott. Enrique Nunes ist ein Heiliger, Krüppel werfen ihre Krücken von sich, wenn sie sein Leichentuch berühren. Wir müssen dem Volk seinen Mörder präsentieren. Also, Senhor Mendes, sagt mir, wer ihn getötet hat, und Ihr könnt zurück zu Eurer Frau. Wie ich höre, führt Ihr ja eine sehr glückliche Ehe.«
    Francisco spürte, wie neuer Schüttelfrost ihn packte. Er hatte gleich nach seiner Verhaftung einen Wärter bestochen, der dafür sorgen sollte, Tristan da Costa außer Landes zu bringen. Aber noch hatte er keine Nachricht, dass sein Agent außer Gefahr war. Nur mit Mühe gelang es ihm, ruhig zu erscheinen, als er Aragon Antwort gab.
    »Aus dem Geschäft wird nichts«, sagte er. »Ich kann Euch keinen Namen nennen. Aber ich erinnere Euch daran, dass mein Bruder und ich dem König ein Darlehen für den Kaiser gewährt haben, zweihunderttausend Dukaten, von denen die zweite Rate nächsten Monat fällig wird. Meine Firma wird die Auszahlung verweigern, wenn Ihr mich noch länger hier ...«
    »Wollt Ihr uns etwa drohen?«, schnitt Aragon ihm das Wort ab. »Macht Euch nicht lächerlich! Wenn man Euch für schuldig befindet, Enrique Nunes ermordet zu haben, fällt Euer ganzes Vermögen an die Krone. Nehmt endlich Vernunft an! Ich brauche einen Namen.« Er legte seine Hand auf Franciscos zitternden Arm. »Ihr habt die Wahl, Senhor Mendes. Entweder einen Namen, und alles wird wieder so sein wie früher - oder aber Ihr lernt mich kennen ...«
     

27
     
    Die Folter war ein altbewährtes Instrument der Wahrheitsfindung. Papst Innozenz IV. hatte sie bereits im Jahre 1252 in seiner Dekretale Ad Extirpanda zur Bekämpfung der Ketzerei freigegeben, in der wohlbegründeten Annahme, dass Gott einem jeden Delinquenten, der im Geiste der Wahrhaftigkeit spreche, die nötige Kraft zum Widerstand verleihe und er allein denjenigen brechen werde, der sich von der Wahrheit abgewandt habe. Und man konnte die geistliche Gerichtsbarkeit nicht genug dafür loben, dass sie peinlich darauf bedacht war, die Folter nur unter strengster Beobachtung sorgfältig ausgearbeiteter Vorschriften zu hand haben, damit die Abtrünnigen ihre Irrtümer freimütig gestehen konnten, ohne größere bleibende Schäden davonzutragen. Obwohl die Anwendung der Folter also den Segen der heiligen katholischen Kirche und ihrer höchsten Autoritäten genoss, war Cornelius Scheppering dennoch kein Freund dieses Instruments der Wahrheitsfindung und nur im äußersten Notfall bereit, durch Zufügung von körperlichem Leid eine Aussage zu erpressen. Diese seine Abneigung wurzelte in dreifachem Grund. Erstens bevorzugte er die geistige Auseinandersetzung aus prinzipieller philosophischer Selbstachtung - schließlich war der Geist der Gottesfunke, der den Menschen mit dem Schöpfer verband und ihn vom Tier unterschied; zweitens war er selber von so überaus zartem Gemüt, dass allein der Anblick physischer Qualen ihm unerträgliche Schmerzen bereitete; und drittens bedeutete die Folter in seinen Augen eine unzulässige Adelung eines Delinquenten, insofern dieser sich in seinem Leid eins mit dem leidenden Christus am Kreuze wähnen durfte.
    In dem Fall aber, zu dessen Aufklärung Cornelius Scheppering nach Lissabon gereist war, kam noch ein weiteres Moment

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