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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Geschrei nicht zu verstehen; sie hielt den kleinen Dauphin auf den Knien; der König sah dem Getümmel mit gleichgültigen Blicken zu; er hatte in der letzten Nacht fast nicht geschlafen, denn er war nicht für schwierige Lebensverhältnisse geschaffen.
    Den Grafen von Provence erkannte man an seinem immer lauernden, tückischen Blick; er war in jenem Augenblick ein Liebling des Volkes, weil er in Frankreich geblieben, während sein Bruder, der Graf von Artois, geflohen war.
    Andrea schien von Marmor zu sein. Sie glich einer überirdischen Erscheinung, die sich unter die Lebenden verirrt hat. Nur ihr Blick gab zu erkennen, daß sie lebte: ihr Auge flammte unwillkürlich auf, so oft es dem Auge Gilberts begegnete.
    Etwa hundert Schritte vor dem obenerwähnten kleinen Wirtshause machte der Zug halt. Das Schreien und Toben wurde noch stärker.
    Die Königin neigte sich aus dem Wagen, und diese Bewegung, die man für einen Gruß nehmen konnte, erregte ein Gemurmel unter der Menge.
    »Herr Gilbert«, sagte sie.
    Gilbert trat an den Wagen. Da er von Versailles her den Hut in der Hand hielt, hatte er nicht nötig, ihn abzunehmen, um der Königin seine Ehrerbietung zu bezeigen.
    »Majestät.«
    »Herr Gilbert, was singt und schreit das Volk?«
    Herr Gilbert wollte antworten, aber ein Schrei des Entsetzens, gefolgt von barbarischem Gelächter, drang aus der Volksmenge.
    Die beiden Pikenträger kamen heran. Die Köpfe, die sie gleichsam als Feldzeichen der Rotte vorantrugen, hatten sie von dem unglücklichen Leonhard pudern und frisieren lassen; sie wollten sie der Königin zeigen.
    »Um des Himmels willen, gnädigste Frau,« sagte Gilbert, »sehen Sie nicht nach rechts!« Aber die Königin hatte nichts Eiligeres zu tun, als ihren Blick nach der bezeichneten Richtung hin zu wenden. Das Entsetzen entlockte ihr einen lauten Schrei. Aber plötzlich wendeten sich ihre Augen von dem furchtbaren Schauspiel ab und starrten ein Medusenhaupt an, von dem sie sich nicht abwenden konnten. Es gehörte jenem Unbekannten, den wir im Wirtshause zu Sèvres mit dem Meister Gamain zusammen gesehen haben, und der jetzt mit verschränkten Armen an einem Baume stand.
    Die Hand der Königin fiel auf Gilberts Schulter und zuckte krampfhaft.
    Gilbert sah sich um. Dann riefen beide zugleich:
    »Cagliostro! ...«
    Der Fremde sah Gilbert und winkte ihm zu.
    In diesem Augenblick setzte sich der Wagenzug wieder in Bewegung.
    Gilbert ließ die Kutschen und die Volksmenge vorüberziehen und folgte dem angeblichen Büchsenmacher, der sich von Zeit zu Zeit nach ihm umsah, in eine Seitengasse.
     

2. Kapitel
     
    Vor einem großen und schönen Hause machten Cagliostro und sein Begleiter halt. Sie traten ungesehen durch eine kleine Seitenpforte und Gilbert zog die Tür hinter sich zu; man hörte nicht das leiseste Knarren der Angeln, nicht das mindeste Schnappen des Schlosses. Der Boden war mit einem weichen Teppich belegt. Links fand Gilbert eine Tür offen, durch die er in ein prachtvolles Gemach gelangte. Hier hing ein einziges Gemälde, es war eine Madonna von Raphael.
    Gilbert bewunderte dieses Meisterwerk, als er eine Tür hinter sich aufgehen hörte. Er sah sich um und erkannte Cagliostro, der sich in einem Nebenzimmer umgekleidet hatte.
    Er war jetzt nicht mehr der Handwerker mit den geschwärzten Händen, den mit Kot bedeckten Schuhen und dem groben, schmutzigen Hemd. Mit freundlichem, offenem Blick trat er näher und breitete die Arme aus.
    Gilbert eilte auf ihn zu und drückte ihn innig an seine Brust.
    »Teurer Meister!« sagte er.
    »Oh! lieber Gilbert,« erwiderte Cagliostro lachend, »Sie haben seit unserer Trennung so gute Fortschritte gemacht, zumal in der Philosophie, daß Sie jetzt der Meister sind, und ich kaum würdig bin, Ihr Schüler zu sein.«
    »Ich danke für das Kompliment,« sagte Gilbert, »aber angenommen, ich hätte solche Fortschritte gemacht, wie können Sie es wissen? Es sind acht Jahre her, daß wir uns nicht mehr gesehen haben.«
    »Sie zweifeln also noch immer an meiner Seherkraft? Dann will ich Sie eines besseren belehren. Sie kamen gewisser Familienangelegenheiten wegen zum ersten Male wieder nach Frankreich. Es handelte sich um die Erziehung Ihres Sohnes Sebastian: Sie brachten ihn in eine kleine Stadt und besuchten zugleich Ihren Pächter, einen braven Mann mit Namen Billot, den Sie gegen seinen Willen in Paris zurückhalten. Sie kamen zum zweiten Male nach Frankreich zurück, weil Sie, gleich vielen andern, an den

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