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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Temperament, der Sohn Gilberts und Andreas, ist fast zum Manne gereift.
    Sebastian nahm also, fest entschlossen, seinen Plan auszuführen, den Weg nach Largny. Bald aber teilte sich der Weg; nach welcher Richtung sollte er sich wenden? Er setzte sich auf die Böschung des Chausseegrabens nieder, um zu überlegen. Nach einer Weile glaubte er aus der Richtung von Villers-Cotterets ferne Hufschläge zu hören.
    Er trat auf die Heerstraße, um die Reiter anzuhalten und zu befragen. Bald sah er die dunklen Umrisse der letzteren und die Funken, die die Hufeisen der Pferde aus den Steinen schlugen. Es waren zwei Reiter, von denen der eine etwa vier Schritte vor dem andern hergaloppierte. Gilbert vermutete mit Recht, daß der erste der Herr und der zweite der Diener sei.
    Aber wie groß war sein Erstaunen, als er in dem Herrn Isidor von Charny erkannte, dem er von seinen Besuchen mit Pitou bei Katharina nicht unbekannt sein konnte.
    Der Vicomte nahm Sebastian auf sein Pferd, dann ging's im Galopp weiter, und die beiden Pferde mit den drei Reitern verschwanden bald jenseits der Anhöhe von Goudreville.
    Der Ritt ging bis Dammartin, dann wurde die Reise mit einer Postkutsche fortgesetzt. Erst am Nachmittag um fünf Uhr kamen sie vor den Tuilerien an.
    Am Schloßtore mußten sie sich zu erkennen geben, denn Lafayette hielt alle Posten besetzt; als sich indes Isidor von Charny zu erkennen gab, wurden sie sogleich ins Haus geführt, wo sie in einem Vorzimmer Platz nehmen mußten.
    Der Türsteher sollte sich zugleich nach dem Grafen von Charny und nach dem Doktor Gilbert erkundigen.
    Der Knabe setzte sich auf ein Sofa. Isidor ging auf und ab. Nach zehn Minuten kam der Türsteher zurück. Der Graf von Charny war bei der Königin. Dem Doktor Gilbert war kein Unglück begegnet; man vermutete sogar, er befinde sich beim Könige; der König habe sich mit seinem Leibarzt eingeschlossen.
    In diesem Augenblicke ging die Tür auf:
    »Herr Vicomte von Charny! Man erwartet den Herrn Vicomte in den Zimmern der Königin.«
    Isidor folgte dem Türsteher, Sebastian setzte sich wieder auf das Sofa. Seine Gedanken schweiften zu dem Abbé Fortier, zu Pitou, und er dachte an die Unruhe, die dem einen seine Flucht, dem andern sein Brief verursachen würde. Die Erinnerung an Pitou rief ihm den heimatlichen Wald ins Gedächtnis, und er dachte an die weibliche Gestalt, die er so oft im Traume, und nur einmal, wie er wenigstens glaubte, in Wirklichkeit gesehen hatte; jener Spaziergang im Walde von Sartory fiel ihm ein, wo die schöne Frau an ihm vorüberging, und dann in einer prächtigen, mit zwei feurigen Rossen bespannten Kutsche hinter den Bäumen verschwand.
    Er erinnerte sich an den tiefen Eindruck, den diese Erscheinung auf ihn gemacht, und in diesen Traum versunken flüsterte er:
    »Mutter! Mutter!«
    Plötzlich ging die Tür, die sich hinter Isidor von Charny geschlossen hatte, wieder auf, und dieses Mal erschien eine Dame. Die Erscheinung stimmte mit dem, was in seiner Seele vorging, so vollkommen überein, daß er seinen Traum verwirklicht glaubte. Sebastian war in der lebhaftesten Spannung.
    Aber seine Aufregung stieg aufs höchste, als er in der Eintretenden zugleich das Traumgesicht und die Wirklichkeit sah. – Es war das Ideal seiner Träume, es war die Dame, die er im Walde von Sartory gesehen hatte.
    Er sprang auf, als ob er durch eine Feder emporgeschnellt würde. Seine Lippen taten sich auf, seine Augen erweiterten sich; er versuchte umsonst, einen Laut hervorzubringen.
    Die Dame ging mit stolzer, majestätischer Haltung vorüber, ohne ihn zu beachten.
    Wie ruhig und kalt auch ihre Haltung war, so ließ sie doch an ihren zusammengezogenen Augenbrauen, an ihrer blassen Gesichtsfarbe, an ihren heftigen Atemzügen erkennen, daß sie sich in einer großen Aufregung befand.
    Sie ging durch den ganzen Saal, öffnete die Tür am entgegengesetzten Ende desselben, und verschwand im Korridor.
    Sebastian eilte so schnell nach, als er konnte, und kaum hatte sie den unteren Stock erreicht, so erschien Sebastian ebenfalls und rief: »Madame, Madame!«
    Die junge Dame eilte in den Hof. Dort erwartete sie ein Wagen, sie stieg schnell ein und setzte sich, aber noch ehe die Wagentür geschlossen wurde, schlüpfte Sebastian an dem Bedienten vorüber und küßte der Flüchtigen den Saum des Gewandes.
    »O Madame, Madame!« rief er mit dem Ausdrucke des tiefsten Gefühls.
    Die junge Dame sah den schönen Knaben, der sie anfangs erschreckt hatte,

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