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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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wurde. Der Graf von Charny war gemeldet worden.
    »Geschwind in jenes Zimmer, Sebastian!« sagte Andrea in der größten Hast; »er darf dich nicht sehen, er darf nicht wissen, daß du auf der Welt bist.«
    Sie schob den ganz bestürzten Knaben in das Nebenzimmer.
    Dann schloß sie die Tür hinter ihm.
    »Ich lasse den Herrn Grafen von Charny bitten, hereinzukommen«, sagte sie mit möglichster Fassung.
    Der Graf von Charny war schwarz gekleidet, er trauerte um seinen vor zwei Tagen gefallenen Bruder.
    Zum ersten Male nach ihrer Vermählung waren der Graf und die Gräfin allein.
    »Verzeihen Sie,« sagte der Graf, »wenn meine unerwartete Gegenwart Ihnen lästig ist. Der Wagen hält vor der Tür, und ich werde mich entfernen, wenn ...«
    »Nein, Graf,« fiel ihm Andrea ins Wort, »im Gegenteil, nach den schrecklichen Ereignissen freut es mich sehr, Sie zu sehen.«
    »Sie waren also so gütig, sich nach mir zu erkundigen, Gräfin?« fragte Charny.
    »Allerdings, man antwortete mir, Sie wären bei der Königin.«
    Waren diese letzten Worte ganz harmlos, oder enthielten sie einen Vorwurf?
    Andrea konnte ihre Eifersucht auf die Königin nicht verbergen. Charny, der sich wegen seines unangemeldeten Besuches entschuldigen zu müssen glaubte, sagte:
    »Ich komme auf Befehl des Königs, der mir aufgetragen hat, nach Ihnen zu sehen. Erst durch die teilnehmenden Fragen des Königs habe ich erfahren, daß Sie vor kurzem die Tuilerien verlassen haben, wie man annimmt, nach einem Zwischenfall zwischen Ihnen und der Königin. Ich kannte Ihre frühere Wohnung hier in der Rue Coq-Héron, und so suchte ich Sie hier.« Bei diesen Worten schaute er Andrea mit großen Augen an: »Bin ich Ihnen willkommen?« »Können Sie daran zweifeln, Graf?« sagte Andrea, die schnell aufstand und ihrem Gemahl beide Hände reichte. Charny faßte beide Hände und zog sie an seine Lippen. Andrea schrak zusammen, als ob glühendes Eisen sie berührt hätte, und sank auf das Sofa zurück. Aber da ihre krampfhaft zusammengezogenen Hände den Grafen festhielten, so zog sie ihn im Zurücksinken mit sich, und Charny saß an ihrer Seite. In diesem Augenblicke hörte Andrea ein Geräusch im Nebenzimmer und entfernte sich so hastig, daß der Graf ebenfalls aufstand und sie verwundert ansah. Charny stand, auf die Rücklehne des Sofas gestützt, der Gräfin gegenüber und seufzte. Andrea drückte beide Hände vor das Gesicht. Was in diesem Augenblicke in ihrem Herzen vorging, ist unmöglich zu beschreiben. Sie war seit vier Jahren mit einem Manne vermählt, den sie unendlich liebte, ohne daß dieser Mann, dessen Neigung der Königin zugewandt war, die mindeste Ahnung gehabt hatte von dem großen Opfer, das sie durch diese Vermählung gebracht hatte. Sie hatte unter Verleugnung ihrer doppelten Pflicht als Gattin und Untertanin alles gesehen, alles ertragen, über alles das tiefste Schweigen beobachtet. Endlich hatte sie aus einigen zärtlichen Blicken ihres Gemahls, aus einigen härteren Worten der Königin geschlossen, daß ihre Aufopferung nicht ganz fruchtlos war. In den letzten schrecklichen, angstvollen Tagen war Andrea unter den bestürzten Hofleuten vielleicht die einzige gewesen, die ein freudiges Gefühl aufbrachte; es war, wenn ein Blick Charnys seine Besorgnis um sie an den Tag zu legen schien, wenn er sie mit Sehnsucht aufsuchte. Ein leiser Händedruck ließ ein bisher ungeahntes Gefühl in ihnen aufsteigen und rief einen gemeinsamen Gedanken in ihnen hervor.
    Als nun das arme verlassene Wesen eben das ihr so lange entrissene Kind wiedergefunden hatte, ging an ihrem so düsteren Horizont plötzlich eine Morgenröte der Liebe auf; doch das Glück schien nicht für sie geschaffen, denn das eine glückliche Ereignis mußte das andere ertöten.
    Charny seufzte und nahm das Gespräch wieder auf.
    »Was soll ich dem Könige sagen, Gräfin?« fragte er.
    Andrea erschrak, als sie seine Stimme hörte, und erwiderte:
    »Ich habe so viel bei Hofe gelitten, daß ich den mir von der Königin bewilligten Abschied mit Dank annehme; ich habe in der Einsamkeit immer die Ruhe, wenn auch nicht das Glück gefunden. Mit Ihrer Erlaubnis, Graf, werde ich diesen Pavillon bewohnen, an den sich für mich wohl schmerzliche, aber auch süße Erinnerungen knüpfen.«
    Diese Erlaubnis erteilte Charny mit einer artigen Verbeugung:
    »Es ist also Ihr fester Entschluß, Gräfin?« sagte er.
    »Ja, Graf«, antwortete Andrea sanft, aber entschieden.
    »Jetzt habe ich nur noch eine Frage

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