Die Grauen Herrscher
wurde Prellin-Wembleson von der Patrouille nicht vernachlässigt. Unauffällig machte ein Lens-Träger nach dem anderen in Cominoche Station, um sich mit dem Problem zu befassen. Sie kamen von überall – von der Erde, von der Venus, von Manarka und Borova und von fast allen anderen Planeten, die menschenähnliche Rassen beherbergten. Und bei jedem dieser Lens-Träger konnte es sich um den Gesuchten handeln, den Boskone nicht umsonst so sehr fürchtete. Der Kette schlossen sich einige rigellianische, posenianische und ordovikische Lens-Träger an – als Vertreter der Rassen, die den bekannten Wahrnehmungssinn besaßen und die hier ihre Fähigkeiten gegen den Stützpunkt der Boskonier einsetzten. Auch Worsel von Velantia besuchte Bronseca, vermochte jedoch nichts auszurichten.
Ob die Geschäfte der Boskonier ihren gewohnten Verlauf nahmen, wußten die Lens-Träger nicht, aber von drei Tatsachen waren sie überzeugt. Erstens konnten die Boskonier ihre Unterlagen zwar vernichten, aber nicht fortschaffen – weder durch die Luft noch auf dem Landwege, noch durch einen Tunnel. Zweitens war den Zwilniks unmißverständlich deutlich geworden, daß die Lens-Träger nicht wanken und weichen würden, ehe sie gesiegt hatten. Und drittens konnte kein Zweifel bestehen, daß Prellins Leben alles andere als glücklich war.
Und während seine Brüder der Lens die boskonische Festung weiter belagerten, versuchte sich Kinnison eine neue Persönlichkeit zu schaffen.
Diesmal durfte er keine Fehler machen; er durfte diesen Meteor-Schürfer nicht nur darstellen – er mußte es sein, bis zur letzten Faser seines Wesens. Entsprechend sorgfältig stellte er seine Ausrüstung zusammen – eine Ausrüstung, auf die er sich verlassen konnte, die aber weder so neu noch so teuer sein durfte, daß sie unnötig Aufsehen erregte.
Sein Schiff war gedrungen und schnell und hatte eine übergroße Luftschleuse. Es bestand vom Bug bis zum Heck nur aus Beulen und Schrammen, doch es war ausgezeichnet in Schuß. Die Techniker der Patrouille hatten ihr Meisterstück geliefert und Kinnison ein Schiff zur Verfügung gestellt, das die Kampfkraft eines kleinen Schlachtkreuzers erreichte. Auch seine übrige Ausrüstung – automatisches Schürfgerät, Raumanzug, Bohrvorrichtung, DeLameter – entsprachen dem gleichen Prinzip. Das Gerät war von jahrelanger Benutzung gezeichnet, funktionierte jedoch ausgezeichnet. Kurz, Kinnisons Ausrüstung entsprach genau der Vorstellung, die man sich von dem Schiff eines erfolgreichen Meteor-Schürfers macht.
Der Lens-Träger schnitt sich selbst das Haar – wie es bei Meteor-Schürfern üblich war – und machte sich mit der Schürfer-Sprache vertraut – einem Durcheinander aus Hunderten von Planetensprachen, das die Umgangssprache aller Schürfer überall in der Galaxis darstellt. Vor allen Dingen mußte er sich an starke alkoholische Getränke und an Rauschgifte gewöhnen, denn sie waren untrennbar mit dem Leben eines Schürfers verbunden. Allerdings konnte er Thionit hierbei ausklammern, denn dieses Rauschgift war für seinesgleichen unerschwinglich. Hadiv, Heroin, Opium, Nitrolab, Bentlam – ja, das war es! Bentlam war überall in der Galaxis erhältlich und paßte recht gut zu der Rolle, die er spielen wollte. Ein zwar wirkungsvolles, aber wenig schädigendes Rauschgift. Kinnison entschloß sich, als Bentlam-Schlucker aufzutreten.
Bentlam, das in eingeweihten Kreisen auch als ›Benny‹, ›Kraut‹ oder auch ›Tiefschlaf‹ bezeichnet wird, ist eine faserig-feuchte Substanz, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Kautabak besitzt. Durch seine Freunde beim Rauschgiftdezernat versorgte sich der Freie Lens-Träger mit einem Vorrat dieses Rauschgiftes und machte sich an die Arbeit. Mit den verschiedensten hochprozentigen Getränken stellte er Selbstversuche an, bestimmte die Wirkung des Alkohols auf seinen Körper und seine geistige Reaktion auf den Alkohol, als ob er einen chemischen Vorgang beobachtete, an dem er nicht beteiligt war.
Er verabscheute das Zeug. Mit jeder Faser ekelte ihn vor der trügerischen Wirkung – vor dem Verlust der Kontrolle, vor dem künstlichen Hochgefühl, der Verschiebung aller Werte, den Halluzinationen –, trotzdem setzte er sein Programm bis zum Schluß fort, um schließlich seine Selbstversuche auch auf das Rauschgift Bentlam auszudehnen.
Als er seine Experimente beendet hatte, wußte er über sich Bescheid. Er wußte zu jeder Minute, wieviel Alkohol er getrunken hatte –
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