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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte es doch sein, daß er in seinem Zorn etwas, was sie ihm mitteilen wollte, falsch verstanden hatte.
    Sie saß dicht neben ihm; sie sagte nichts, fühlte sich aber in der Nähe des Mannes, den sie manchmal für ihren Vater hielt, ganz offensichtlich geborgener. »Du hast gesagt, sie haben dich nicht nach Hause gehen lassen«, sagte er leise zu ihr. »Wie hast du das gemeint?«
    Sie schüttelte den Kopf, sah ihn mit großen Augen an. »Oh, ich kann die Straße sehen! Ich wollte es ihnen sagen, aber sie haben mir nicht zugehört. Der, der aussieht wie unser Bullenbeißer, hat gesagt, er weiß, wo wir langgehen müssen, und ich soll den Mund halten.« Sie rutschte näher an ihn heran. »Aber du läßt mich nach Hause gehen. Das weiß ich.«
    Vansen mußte fast schon lachen — der hängebackige Westerbur hatte wirklich einige Ähnlichkeit mit einer Bulldogge —, aber was sie gesagt hatte, war wichtig.
Sie hat schon einmal aus dem Schatten herausgefunden,
dachte er,
ehe wir sie gefunden haben.
Er tätschelte ihr den Kopf, löste behutsam seine Hand aus ihrer — sie hielt sie ganz schön fest — und stand auf. »Ich übernehme die erste Wache«, verkündete er. »Ihr übrigen könnt Steinchen werfen oder sonstwie auslosen, wann ihr an der Reihe seid. Morgen führt euch jemand anders.«
    Westerbur schien nicht gerade glücklich, grinste aber. »Wie Ihr wollt, Hauptmann, klar. Aber Ihr und Saddler wart auch nicht viel besser als wir.«
    »Nicht ich werde führen«, sagte er. »Sie wird es tun.«
     
    Die Männer brummten und grummelten zwar, aber nachdem der kleine Trupp Willow ein paar Stunden durch den grauen Wald gefolgt war, sah Vansen zum erstenmal, seit sie in den Schatten geraten waren, den Mond am Himmel. Er sah ihn nur ganz kurz, als ein Höhenwind, den sie nicht spürten, den Nebel für einen Moment auseinanderriß, und es erschütterte ihn ein wenig, daß es offenbar mitten in der Nacht war, während sein Körper ihm doch gesagt hatte, es sei Tag, aber er nahm es dennoch als gutes Zeichen. Das Mädchen schien sich jedenfalls sehr sicher, was den Weg anging; sie marschierte in ihrem zerfetzten weißen Kleid vor ihnen her wie ein Geist, der Wanderer an den Ort seiner Ermordung führt.
    Vielleicht war es ja der Hunger — je jünger der Mann, hatte Vansen in seiner Zeit als Gardehauptmann gelernt, desto mehr dachte er ans Essen —, aber irgendwann in der Zeit, die alle außer Mesiyas weißem Rund für den Nachmittag hielten, blieb Davis plötzlich stehen.
    »Da ist was, dort in dem Dickicht«, flüsterte er Vansen zu, der ihm am nächsten stand. Er nahm seinen Bogen von der Schulter und zog einen der beiden Pfeile, die ihm nach der Auflösung des Trupps und dem Verschwinden der Pferde und Packtaschen noch geblieben waren, aus seinem Köcher. »Wenn es ein Stück Rotwild ist, Hauptmann, erschieße ich's. Und wenn es der verkleidete König von Elbenland ist, ich esse es trotzdem.«
    Der junge Soldat legte den Pfeil an, aber Vansen packte ihn am Arm und drückte fest zu. »Und wenn es Etkin ist oder einer der anderen Garden? Einer, der hier herumirrt, vielleicht verwundet?« Langsam ließ Davis den Bogen sinken. »Gut so, Davis. Nehmt Saddler und Balk und seht zu, ob Ihr Euch anschleichen könnt.«
    Vansen, Westerbur und die junge Frau sahen schweigend zu, wie die Männer von verschiedenen Seiten auf das Dickicht zurückten. Plötzlich stürzte sich Davis in die dichteste Stelle des Unterholzes, und Balk tat es ihm nach. Blätter raschelten, und sie hörten Davis und Balk laut rufen.
    »Da!
 Da rennt es!«
    »Es ist eine Katze!«
    »Nein, das ist ein verflixter Affe! Aber er ist
schnell!«
    Saddler watete als letzter ins Gesträuch, und die drei arbeiteten sich aufeinander zu. Zweige wackelten wild, dann richtete sich Saddler auf, und in seinen Armen zappelte etwas, das die Größe eines Kleinkinds hatte. Vansen und die anderen eilten hin.
    »Bei Perins Eiern!« fluchte Vansen. »Paßt auf, daß es Euch nicht kratzt, Collum. Was ist es?«
    Das schrille Jaulen, das das Wesen von sich gab, während es verzweifelt gegen den viel größeren Saddler ankämpfte, war schon schlimm genug, aber es plötzlich die Gemeinsame Sprache sprechen zu hören, war ein Schock. »Laß los mich!« schrie es gellend.
    Vor Schreck hätte Saddler es tatsächlich fast losgelassen, aber dann umklammerte er es nur noch fester, bis es Ruhe gab. Der Gardesoldat atmete schwer, und seine Augen waren schreckgeweitet, aber er hatte das Wesen

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