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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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jetzt sicher im Griff. Vansen verstand, warum es die anderen für einen Affen oder eine Katze gehalten hatten. Es war von entfernt menschenähnlicher Gestalt, aber mit langen Armen und kurzen Beinen, und seinen gesamten Körper bedeckte ein Fell in Grau-, Schwarz- und Brauntönen. Das Gesicht hatte Ähnlichkeit mit einer Dämonenmaske, wie sie Kinder an bestimmten Festtagen trugen, wenn auch dieser Dämon nicht minder erschrocken schien als die Männer selbst.
    »Was bist du?« fragte Vansen.
    »Eine verfluchte Kreatur«, sagte Westerbur mit überschnappender Stimme.
    Das Wesen starrte den Gardesoldaten verächtlich an, wandte dann den Blick Vansen zu. Die Augen waren leuchtend gelb, ohne sichtbares Weiß, die Pupillen waagrechte Schlitze wie bei einer Ziege. »Kobold ich bin«, stieß es rauh hervor. »Unter-Drei-Wassern-Stamm. Ihr alle tote Männer seid.«
    »Tote Männer?« Vansen kämpfte ein Schaudern nieder.
    »Sie bringt weiß Feuer. Sie brennt eure Häuser nieder, bis nur noch schwarz Stein.« Es gab einen seltsamen, zischenden Spucklaut von sich. »Schwach, mein Bein, alt und krumm. Ich nicht kann folgen. Nicht kann sehen ihre Schönheit, wenn sie euch vernichtet.«
    »Tötet es!« zischte Westerbur durch die Zähne.
    Vansen hob die Hand, um ihm Ruhe zu gebieten. »Es ist dem Heerzug der Zwielichtler gefolgt. Vielleicht ist es ja selbst einer — mit Sicherheit aber ihr Untertan. Es kann uns Informationen geben.« Er sah sich um, suchte irgend etwas, womit sie das Wesen fesseln könnten, das jetzt wieder gegen Saddlers Klammergriff ankämpfte.
    »Niemals«, sagte die Kreatur, deren Worte rauh und seltsam klangen. »Niemals ich helfe Sonnenländlern!« Plötzlich wand es sich mit aller Kraft, verrenkte sich, als hätte es keine Wirbelsäule, und schlug die Zähne in Saddlers Arm. Saddler schrie auf und ließ vor Schreck das Wesen fallen. Es hastete davon, zog aber ein Bein deutlich sichtbar nach. Ehe Vansen auch nur den Mund aufmachen konnte, um einen Befehl zu brüllen, war der junge Davis mit zwei Schritten bei dem Wesen und schlug es mit seinem Bogen nieder. Unmittelbar darauf war auch Saddler dort und begann, den blutenden Arm an den Körper gepreßt, auf das zappelnde Wesen einzutreten. Westerbur eilte hinzu, mit gezogenem Schwert und einem Schwall wütender Flüche. Davis und Saddler traten zurück, als er mit der Klinge draufloshackte. Alle drei Männer stießen Laute aus wie Hunde, wilde Laute der Angst und Wut.
    Als Vansen sie erreichte, war der Gobiin nur noch eine blutige Masse aus Fleisch und Fell auf dem bemoosten Waldboden, und die Lampenaugen erloschen bereits.

    Barrick wollte sie immer noch nicht sehen, aber Briony war fest entschlossen. Die Zornesausbrüche ihres Bruders waren ja vorher schon schlimm genug gewesen, aber jetzt machte er ihr wirklich angst. Er war von jeher empfindlich und verschlossen gewesen, aber dieses seltsame Verhalten dem Schankknecht gegenüber war doch noch etwas anderes.
    Sie beugte sich zu dem Pagen hinab, der sie mit angstgeweiteten Augen ansah, aber mit dem Rücken an Barricks Tür stand, als wollte er sie mit seinem Zehnjährigenleben verteidigen. »Sag meinem Bruder, ich komme nach dem Abendessen wieder, um mit ihm zu reden. Sag ihm, dann
werden
wir reden.«
    Im Gehen hörte sie den Pagen hastig die Tür öffnen und sie dann regelrecht hinter sich zuknallen, als sei er gerade dem Käfig einer Löwin entronnen.
    Gibt es hier Leute, die mich genauso fürchten, wie sie Brone fürchten? Wie sie Barricks Launen fürchten?
Das war eine seltsame Vorstellung. Sie hatte sich nie als furchterregende Person gesehen, obwohl sie wußte, daß sie nicht immer geduldig mit Verhaltensweisen umging, die sie als dumm oder zaghaft empfand.
    Zoria, jungfräuliche Kriegergöttin, Zoria mit den geschickten Händen, gib mir die Kraft, sanftmütig zu sein.
Das Gebet erinnerte sie an diesen Narren von Dichter und an ihre plötzliche Caprice. Warum hatte sie beschlossen, eine solche Kreatur am Hof zu behalten? Nur um Barrick und den Konnetabel zu ärgern? Oder weil sie Schmeichelei, selbst in dieser lächerlichen Form, tatsächlich genoß?
    In solche Gedanken versunken, ging sie durch den langen Gang mit den Bildern ihrer Vorfahren — von solchen, die noch lebten wie ihr Vater, und von verstorbenen wie ihrem Großvater Ustin und ihrem Urgroßvater, Anglin dem Dritten —, ohne sie wirklich zu sehen. Selbst das Bild der Königin Lily, der Geißel der Grauen Scharen und berühmtesten Frau

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