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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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schien er zugleich aus dem Wahn zu erwachen, der seinen Geist befallen hatte. Er sah sich träge blinzelnd um und stöhnte dann: »Bei Perins Hammer, wann wird es in dieser verflixten Gegend endlich Tag?«
    »Mehr Tageslicht werdet Ihr nicht sehen, ehe wir nicht wieder in unseren eigenen Landen sind«, erklärte ihm Vansen. »Das solltet Ihr doch inzwischen wissen.«
    »Wie lange sind wir schon hier?« Saddler sah auf seine Hände, als dächte er, sie gehörten jemand anderem. »Ich fühle mich krank. Wo sind die anderen?«
    »Wißt Ihr denn nicht mehr?« Er erzählte dem Gardesoldaten, was alles passiert war und was sie gesehen hatten. Saddler sah ihn mißtrauisch an.
    »Ich erinnere mich an nichts von alldem. Warum sollte ich so was sagen?«
    »Ich weiß nicht. Weil diese Gegend Leute verrückt macht. Kommt — wenn Ihr Euch wieder normal fühlt, sollten wir zusehen, daß wir weiterkommen.«
    Sie gingen los, aber Vansens vage Vorstellung, in welcher Richtung die Schattengrenze und die Menschenlande lagen, erwies sich schon bald als trügerisch. Als der Tag damit ins Land ging, daß Saddler das Schicksal verfluchte und Vansen den Zorn auf seinen Kameraden mühsam im Zaum hielt —
ihm
war schließlich nicht der Luxus vergönnt gewesen, zwei Tage verrückt zu sein, er hatte die ganze Zeit nur diese endlose, niederschmetternde Landschaft gesehen, während Collum Saddler von der Schönheit der Zwielichtler geschwafelt hatte —, schien sich abzuzeichnen, daß sie nicht nur ein weiteres Mal im Wald übernachten mußten, sondern überhaupt nicht mehr hinausfinden würden. Sie waren hoffnungslos verirrt und hatten fast nichts mehr zu essen und zu trinken. Vansen traute dem Wasser der stillen Bäche dieses Landes nicht, aber sie würden wohl bald davon trinken oder sterben müssen.
    Irgendwann um die willkürliche Mitte ihres immergleichen Tages sichtete Vansen eine Gruppe Gestalten, die sich von ihnen entfernten, sich einen Hügelkamm entlangmühten, der etwa eine halbe Meile weit weg schien. Er und Saddler waren in einer schmalen Schlucht, von Bäumen geschützt, und sein erster starker Impuls war es, sich zu verstecken, bis diese Wesen verschwunden wären. Doch irgend etwas an der kräftigsten der fernen Gestalten fesselte seine Aufmerksamkeit; kurz darauf löste sich sein gebanntes Hinstarren in ungläubiger Freude.
    »Bei allen Göttern, das muß Mickael Westerbur sein! Seinen Gang würde ich überall erkennen, als ob er ein Faß zwischen den Beinen hätte.«
    Saddler kniff die Augen zusammen. »Ihr habt recht. Der gute Westerbur — wer hätte gedacht, daß ich mich mal freuen würde, den alten Hurensohn zu sehen!«
    Die Hoffnung verlieh ihnen neue Kraft, und sie rannten, bis sie außer Atem gerieten, erklommen dann den Rest des steilen Hangs in langsamerem Tempo. Saddler wollte rufen — er hatte schreckliche Angst, die Kameraden wieder aus den Augen zu verlieren —, aber Vansen wollte nicht mehr Lärm machen als unbedingt nötig: Er hatte ohnehin schon das Gefühl, daß die Landschaft selbst sie mißbilligend beobachtete.
    Endlich waren sie oben, stolperten auf die Kammhöhe und blieben, nach Luft schnappend, stehen. Wenn sie die Köpfe reckten, konnten sie die anderen nur ein paar hundert Schritt weiter sehen, wie sie sich immer noch den Kamm entlangmühten, ohne ihre Verfolger bemerkt zu haben. Dieser erfreuliche Anblick wurde allerdings durch die Aussicht, die sich ihnen von hier oben bot, etwas relativiert. Der Wald erstreckte sich nach allen Seiten, so weit das Auge reichte, ohne irgendwelche markanteren Orientierungspunkte als ein paar Hügel, ähnlich dem, auf dem sie standen. In unregelmäßigen Abständen ragten sie aus der Nebeldecke wie Inseln des vuttischen Archipels aus dem kalten Nordmeer.
    Vansen war immer noch außer Atem, aber Saddler spurtete los. Jetzt, da sie die Gruppe so nah vor sich hatten, erkannte Vansen, daß es nur vier Leute waren, darunter das Mädchen Willow. Es beunruhigte ihn, daß der Rest seines Trupps fehlte. Bisher hatte er sich einreden können, sie seien noch alle zusammen und suchten nach Saddler und ihm. Jetzt mußte er sich eingestehen, daß das Problem nicht einfach nur darin bestand, daß er und Saddler sich verirrt hatten. Es bestand vielmehr darin, daß Ferras Vansen, Hauptmann der königlichen Garde, die meisten seiner Männer verloren hatte.
    Die Prinzessin hatte recht,
dachte er bitter, während er hinter Saddler herrannte.
Mir kann man die Sicherheit ihrer Familie

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