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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Leute getroffen, die der grausige Überfall auf Milnersford in die Flucht getrieben hatte. Die meisten hatten zwar nur davon gehört, aber einige — fast durchweg Frauen und Kinder, die per Ochsenkarren oder Pferdewagen entkommen waren — hatten die Zerstörung der Stadt selbst miterlebt. Die Geschichten dieser Augenzeugen waren besonders schrecklich, und Tyne Aldritch, Vansen und die anderen waren fast den ganzen Nachmittag damit beschäftigt gewesen, herauszufinden, was das für sie bedeutete — der vergebliche Versuch, irgendeine Strategie gegen einen so unfaßbaren Albtraum zu entwickeln. Die ersten Greuelgeschichten hatten die Soldaten, die sie hörten — und die selbst nur zwangsausgehobene Bauernburschen waren, gar nicht so anders als die getöteten Ehemänner und Väter der Flüchtlinge —, so sehr beunruhigt, daß Vansen schließlich, mit Graf Tynes Genehmigung, an der Spitze eines Spähtrupps vorausgeritten war, um die eintreffenden Überlebenden eingehend zu befragen und dann von der Straße hinunterzudirigieren, damit sie ein Stück abseits mit Nahrung und Wasser versorgt werden konnten. Das sollte verhindern, daß immer neue Schreckensnachrichten über das Hauptheer hinwegspülten wie Wellen eisigen Wassers. Ferras Vansen war klar, daß diese zweite Nacht im freien Feld ohnehin von banger Anspannung gekennzeichnet sein würde; noch schlimmer mußte man es nicht machen.
    Aber das nützte natürlich alles nichts: Wer es nicht einmal aushalten konnte, Berichte über die schrecklichen Zwielichtler zu hören, hatte wohl kaum Aussichten, eine Schlacht gegen sie zu bestehen. Dennoch hoffte Vansen, daß die Männer im Kampf selbst ihre Courage wiederfinden würden, so ängstlich sie jetzt auch sein mochten. Ein Feind, den man anfassen, mit dem man kämpfen, den man töten konnte, war besser als einer, der nur in der Vorstellung existierte.
    Er wandte sich an Doff Davis, einen der Überlebenden seiner glücklosen Expedition über die Schattengrenze. Nur widerstrebend und auf Prinzessin Brionys ausdrücklichen Befehl hin hatte er Mickael Westerbur befördert, denn er traute ihm nicht allzuviel zu — an dem Abend, an dem Westerbur Hauptmann geworden war, hatte er in Südmark mit seiner Prahlerei zwei Schlägereien angezettelt —, aber der junge Davis war von einem anderen Schlag, vorsichtig und umsichtig trotz seiner Jugend und durch ihr gemeinsames Abenteuer noch weiter gereift. Wenn es Vansen nicht so wichtig gewesen wäre, selbst zu sehen, was vor ihnen lag, hätte er Davis bedenkenlos die Führung des Spähtrupps überlassen.
    »Ich denke, wir werden hier lagern, jedenfalls werde ich das Graf Tyne vorschlagen. Würdet Ihr die Männer nehmen und schon mal auf die Suche nach Wasser gehen? Mir scheint, hinter dem Buckel dort müßte ein Bach sein.«
    Davis nickte. Die übrigen Kundschafter, fast alle Veteranen der Wildnis, hatten ihren Hauptmann gehört — sie brauchten keine formellen Befehle. Sie trieben ihre Pferde mit einem leisen Zungenschnalzen an und trabten die Straße entlang.
    Ein paar hundert Männer wie diese, und ich würde vielleicht nicht einmal die Zwielichtler fürchten,
sagte sich Vansen, aber er wußte, daß das nicht stimmte. Nicht einmal das Wissen, die tausend tapfersten Männer der Welt um sich zu haben, hätte ein so angstgefrorenes Herz aufzutauen vermocht.
     
    Im ganzen Tal brannten Feuer. Da sie erst so kurz unterwegs waren, aßen sie immer noch frisches Fleisch und Brot, das man brechen konnte, ohne mit dem Messer daran herumzusägen — auf dem Marsch ein seltener Luxus. Ein paar Garden aus Kertewall spielten auf ihren Pfeifen und sangen. Trotz der traurigen kertischen Weisen waren es wohltuend normale Klänge. Vansen war froh darüber und wußte, daß es anderen ebenso ging.
    Als er zum Feuer zurückschlenderte, sah er eine Gestalt auf einem der niedrigen Hügel stehen, noch innerhalb des Rings von Wachposten, aber nicht in unmittelbarer Nähe eines solchen. Er rätselte einen Moment, erkannte dann Prinz Barrick. Das erstaunte ihn ein wenig, weil er gedacht hatte, der Prinz zöge es vor, bei Graf Aldritch und den anderen Edelleuten zu sitzen, zu trinken und sich bedienen zu lassen, aber er wußte ja aus eigener Erfahrung mit der königlichen Familie, daß der Junge immer schon seltsam und eigenbrötlerisch gewesen war.
    Aber jetzt ist er ja wohl kein Junge mehr.
Tatsächlich war Barrick etwa so alt, wie Vansen gewesen war, als er von zu Hause weggegangen war, um sein Glück

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