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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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und sie hatte schreckliche Angst um ihn, war aber auch neidisch.
Es ist ein zweifacher Verrat, mich nicht nur hier zurückzulassen, sondern mir auch noch alles aufzubürden, den Thron und all diese Menschen, die pausenlos etwas wollen, auf mich einreden
... Es tat ihrer Liebe zu ihm zwar keinen Abbruch, machte aber aus dieser starken inneren Bindung so etwas wie ein allzu anhängliches Kind, das einen beständig drangsaliert, sich aber auch nicht einfach absetzen läßt.
    Und Barrick ist in Gefahr, wenn das, was der seltsame Schankknecht sagt, stimmt.
Aber sie konnte nichts tun — nichts als zu warten und sich auf das Schlimmste vorzubereiten.
Und die Götter erwachen, hat dieser seltsame Mensch gesagt, wollte es dann aber nicht näher erklären. Was bedeutet das? Was bedeutet das alles? Wann genau hat die Welt begonnen, sich in ein Tollhaus zu verwandeln?
    Eine Wolke verschob sich. Ein Sonnenstrahl drang herab, lag einen Moment gleißend auf dem Sommerturm, wurde dann wieder vom Grau verschluckt. Briony seufzte und drehte sich zu ihren Jungfern um. »Ich muß mich ankleiden.«
    »Aber, Hoheit«, sagte Moina erschrocken. »Diese Kleider sind ... sie ...Ihr ...«
    »Ich habe euch doch erklärt, was ich tun werde und warum. Wir sind im Krieg, und bald schon wird das mehr sein als nur ein Wort. Mein Bruder ist mit dem Heer ausgezogen. Ich bin die letzte Eddon hier auf der Burg.«
    »Da ist doch noch Eure Stiefmutter«, wandte Rose schüchtern ein. »Das Kind ...«
    »Bis dieses Kind geboren ist, bin ich die letzte Eddon hier in Südmark.« Briony hörte ihren eigenen stählernen Ton und war belustigt und entsetzt zugleich.
Was geschieht mit mir?
»Ich habe Euch doch gesagt, ich kann nicht mehr nur ich selbst sein«, sagte sie. »Ich bin jetzt auch mein Bruder. Ich bin meine ganze Familie.« Sie sah die Gesichter ihrer Jungfern und seufzte gequält. »Nein, ich bin nicht im Begriff, verrückt zu werden. Ich weiß, was ich tue.«
    Aber weiß ich das wirklich?
Man kann vor Kummer oder Verzweiflung außer sich geraten und sich selbst oder anderen etwas antun. Und es gibt auch andere Formen von Wahnsinn, die sich einem so heimlich ins Herz schleichen, daß man selbst es nicht merkt.
War es wirklich nur Wut über die Verächtlichkeit der Männer und der Wunsch, ihrem Bruder auf die einzig noch mögliche Art nahe zu sein? Oder war dieses Sträuben gegen normale höfische Kleidung eine Art Fieber, das sie befallen hatte, das immer heftiger wurde und sie ganz zu entweiblichen drohte?
Oh, Götter und Göttinnen, es ist so schmerzlich! Sie sind alle weg! Jeden Tag will ich nur weinen. Oder fluchen.
    Sie sagte nichts von alldem laut, und auch ihr Gesicht zeigte nur eine zornige Entschlossenheit, die Rose und Moina gänzlich zum Schweigen brachte. »Ich muß mich ankleiden«, sagte sie wieder und stand so gerade, wie sie irgend konnte, so aufrecht und stolz wie eine Königin oder Kaiserin, während die Jungfern ihr die Kleider ihres Bruders anzulegen begannen.
    Zuletzt gaben die Mädchen vor, ihr nicht behilflich sein zu können, weil sie von diesem Ding nichts verstünden, obwohl es wesentlich simpler war als jedes Frauenkleidungsstück, also legte sie sich das schwere Wehrgehänge selbst um und schnallte es zu, ehe sie die lange Klinge in die Scheide steckte.

    Wenn es ein Wetterumschlag war, dann ein sehr sonderbarer. Vansen stand am Hang hinter den Kundschaftern, blickte auf das Tal und die Settländerstraße, die sich auf seinem Grund dahinwand, und versuchte zu deuten, was ihm seine Sinne sagten. Es war stickig, aber nicht, weil ein Gewitter nahte, obwohl am Mittag heftiger Regen niedergegangen war und die Straße für den Rest des Nachmittags schwer passierbar gemacht hatte. Es war auch kein Geruch, obwohl da etwas Bitteres in der Luft lag, etwas, das ihn an die Zeit der Herbstfeuer erinnerte, die jetzt schon zwei Monate her war. Selbst das Licht schien seltsam, aber er konnte nicht sagen, warum: Der Himmel wurde jetzt rasch dunkel, die Sonne ging hinter einem schieferfarbenen Wolkenstreifen unter, und die Hügelwiesen wirkten im Kontrast unnatürlich grün, aber das war alles nichts, was er nicht schon viele hundertmal gesehen hatte.
    Es liegt daran, daß du Angst hast,
sagte er sich.
Weil du diese Schattengrenze schon einmal überquert hast und jetzt fürchtest, du könntest wieder auf die andere Seite geraten. Weil du gesehen hast, was da naht, und Angst davor hast, ihm zu begegnen.
    Den ganzen Tag über waren sie auf

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