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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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fünften Biers. Er hätte gern ein neues gehabt, aber Brigid bediente immer noch, und er wagte es nicht, sie wieder herbeizurufen.
    Puzzle sah sich ebenfalls um. »Sehr hübsch, das Mädel.«
    »Brigid? Ja, schon ganz hübsch, aber ihre Fersen sind so rund wie der Vollmond.« Er guckte finster in den Bodensatz des Krugs. »Seid froh, daß Ihr aus dem Alter für derlei Dinge heraus seid, mein Guter. Solche Frauen sind Gift für Männer. Eine Nacht unschuldiger Tollerei, und schon glauben sie, einen an die Leine legen und hinter sich herziehen zu können wie ein Kinderspielzeug.«
    »Aus dem Alter heraus ... ?« sagte Puzzle leise zweifelnd oder vielleicht auch nur wehmütig und verstummte dann. Er schwieg so lange, daß Kettelsmit schließlich aufsah, in dem Glauben, der alte Mann wäre eingeschlafen, aber Puzzles Augen waren weit aufgerissen. Kettelsmit sah sich um, ob Brigids Kleid sich womöglich ganz geöffnet hatte, aber der alte Knabe starrte auf die Schankstubentür, die in diesem Moment zufiel und den verregneten Nachmittag aussperrte.
    »Schluß für heute«, rief Conry hinter seinem Schanktisch am anderen Ende des Raums. »Sperrstunde ist beim Abendläuten. Die Nachtwächter werden bald hier sein, also trinkt aus, trinkt aus!«
    »Aber ich dachte ...«, sagte Puzzle langsam.
    »Was?« Matty Kettelsmit setzte seinen Trinkkrug ab, erwog, doch noch einen neuen zu ordern, versuchte dann zu entscheiden, ob er lieber einen Ausflug auf den unsäglichen Abtritt des
Sauschwanz
machen oder sich auf dem Heimweg im strömenden Regen an einer Mauer erleichtern wollte. »Was ist?«
    »Ich ... ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, den ich kenne. Chaven, den Arzt — den königlichen Hofarzt. Er hat mit dem Mann dort drüben gesprochen, dem mit der Kapuze.« Puzzle guckte sich um. »Nein, der mit der Kapuze ist auch verschwunden. Vielleicht sind sie ja zusammen hinausgegangen.«
    »Was ist denn daran so merkwürdig? Gerade ein Arzt muß wissen, wie gut Bier tut — die beste aller Arzneien.«
    »Aber er ist doch weg ... oder vielmehr, er ist offensichtlich doch nicht weg.« Puzzle schüttelte den Kopf. »Er hat die Festung verlassen, mußte plötzlich verreisen. Alle waren überrascht. Nun ja, er ist wohl einfach wieder zurück.«
    »Es muß offenbar eine ziemlich gräßliche Reise gewesen sein, wenn das hier der erste Ort ist, den er nach seiner Rückkehr aufsucht.« Kettelsmit stemmte sich hoch. Langsam war ihm, als hätte er vielleicht doch ein bißchen mehr getrunken, als er geglaubt hatte. Er mußte wohl irgendwann den Überblick verloren haben. »Kommt, laßt uns nach Hause gehen. Es ist schon eine ziemlich armselige Gesellschaft hier im
Sauschwanz,
selbst wenn gelegentlich mal ein königlicher Leibarzt oder ein Hofpoet vorbeischaut.« Er half Puzzle auf. »Oder ein königlicher Hofnarr natürlich«, setzte er gütig hinzu. »Nein, von Qualität verstehen sie hier wirklich nichts.«

    Barricks Gemächer hatten Briony immer schon in mancherlei Hinsicht besser gefallen als ihre eigenen. Von ihrem Wohnzimmer ging der Blick zwar hinaus auf den Privatgarten, und der war wirklich sehr hübsch, vor allem an sonnigen Tagen, und wenn es regnete, saßen lauter Tauben auf dem Finstersims und gurrten leise, und das war so gemütlich wie eine Wolldecke über den Knien. Doch von ihrem Fenster aus nahm die Steinmasse des Wolfszahnturms fast den ganzen Horizont ein, deshalb war ihr Ausblick beschnitten, beschränkt auf das Nächstliegende und Häusliche. Barrick hingegen konnte vom kleinen Fenster seines Ankleidezimmers über die Dächer hinweggucken, über den Kaminwald bis zum Meer. Als Briony jetzt aus dem Fenster ihres Bruders schaute, leuchtete der Herbstturm weiß und ziegelrot, und dahinter lag das offene Meer, blauschwarz und melancholisch. Von dem kleinen Gewitter, das gerade durchgezogen war, war der Himmel trüb, aber trotzdem war es irgendwie aufmunternd, in diese ganze Weite und den endlosen Himmel zu blicken, über die Dächer der Burg, die dalagen wie kleine Gebirgsländer, und sich vorzustellen, wie groß die Welt war.
    Haben sie ihm absichtlich diese Räume gegeben, weil er der Sohn war und ich die Tochter? Für mich die Gärten, die stillen Winkel, die alten Mauern, damit ich mich an den Gedanken gewöhne, zu Hause eingesperrt zu sein, für ihn dagegen dieser Blick in die Welt, die sein Geburtsrecht ist — Himmel, Leben und Abenteuer, wohin das Auge blickt ...?
    Und jetzt ritt ihr Bruder in diese Welt hinaus,

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