Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
keine große Rolle mehr spielten und das elterliche Interesse bereits nachließ.
    »Sei nicht albern. Er soll heißen wie ein rechter Blauquarz«, rief sie zurück. »Wir nennen ihn Flint. Damit wischen wir deinem Bruder eins aus.«
    Chert mußte lächeln, obwohl ihm nicht ganz wohl dabei war, dem Jungen einen Namen zu geben, als ob sie ihn als Sohn und Erben annähmen. Aber die Vorstellung, wie sein selbstgefälliger Bruder reagieren würde, wenn er erfuhr, daß Chert und Opalia ein Großwüchsigenkind zu sich genommen und es nach Onkel Flint, dem alten Geizkragen, genannt hatten, war in der Tat ziemlich erheiternd.
    »Also, dann Flint«, sagte er und fuhr dem Jungen durchs Haar. »Solange du bei uns bist jedenfalls.«

    Wellen leckten leise an den Pfeilern. Ein paar Seevögel kabbelten sich schläfrig. Eine klagende, verschlungene Melodie stieg von einer der Schlafbarken auf, ein Chor hoher Stimmen, der ein altes Lied vom Mondlicht auf offener See sang, doch ansonsten lag die Skimmer-Lagune still da.
    In der Ferne riefen die Posten auf der Mauer die Mitternachtswache aus, und ihre Stimmen drangen dünn übers Wasser.
    Als die Rufe bereits verklungen waren, glomm da immer noch ein Licht am Ende eines Anlegestegs. Es leuchtete kurz auf, erlosch, leuchtete wieder auf. Es war eine abgeschirmte Laterne, deren Strahl über die dunkle Lagune gerichtet war. Niemand innerhalb der Burg oder der Mauern schien das Licht wahrzunehmen.
    Dennoch blieb es nicht gänzlich unbemerkt. Ein kleines schwarz gestrichenes Ruderboot glitt lautlos und nahezu unsichtbar über die neblige Lagune und machte am Ende des Stegs halt. Die Gestalt, der die Laterne gehörte und die mit einem schweren Kapuzenumhang verhüllt war, hockte sich hin und flüsterte in einer Sprache, die in Südmark und im gesamten Norden nur selten gesprochen wurde. Der schemenhafte Ruderer antwortete ebenso leise in derselben Sprache und reichte dann der Person, die schon fast eine Stunde auf dem kalten Pier gewartet hatte, etwas hinauf — einen kleinen Gegenstand, der unverzüglich in den Taschen des dunklen Umhangs verschwand.
    Ohne ein weiteres Wort wendete der Ruderer sein kleines Boot und verschwand wieder im Nebel, der über der dunklen Lagune lag.
    Die Gestalt auf dem Steg löschte die Laterne und ging zurück in Richtung Burg, wobei sie sich sorgsam von einem Schatten zum nächsten bewegte, als trüge sie etwas ungemein Kostbares oder ungemein Gefährliches bei sich.

4

Ein überraschender Vorschlag
    Die Lampe:
Die Flamme ist ihre Hand,
Das Lodern ihr Auge,
So wie der Regen das Lied der Grille ist.
Alles ist vorhersagbar.

Das Knochenorakel
    Puzzle sah betrübt auf die Taube herab, die er eben aus dem Ärmel gezaubert hatte. Ihr Kopf war in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt. Allem Anschein nach war sie tot.
    »Es tut mir leid, Hoheit.« Das hagere Gesicht des Hofnarren sah jetzt aus wie ein zerknittertes Taschentuch. Ein paar Leute hinten im Thronsaal lachten hämisch. Eine Edelfrau jammerte übertrieben um die unglückliche Taube. »Als ich es geübt habe, hat das Kunststückchen aufs beste geklappt. Vielleicht brauche ich einen Vogel von robusterer Konstitution ...«
    Barrick verdrehte die Augen und schnaubte verächtlich, aber sein älterer Bruder war diplomatischer. Puzzle war ein alter Günstling seines Vaters. »Ein Mißgeschick, guter Puzzle. Ihr werdet es zweifellos schaffen, wenn Ihr noch etwas Mühe investiert.«
    »Und noch ein paar Dutzend Tauben«, flüsterte Barrick. Seine Schwester runzelte die Stirn.
    »Aber ich schulde Euch noch die Unterhaltung für diesen Tag.« Der alte Mann verstaute die Taube vorn in seinem gewürfelten Narrenkleid.
    »Jedenfalls wissen wir jetzt, was er heute zu Abend speisen wird«, sagte Barrick zu Briony, die ihn leise anzischte.
    »Ich werde andere Späße finden, um Euch zu erheitern«, fuhr Puzzle fort, nachdem er den tuschelnden Zwillingen lediglich einen gekränkten Blick zugeworfen hatte. »Oder vielleicht sonst irgendeins von meinen berühmten Kunststückchen? Ich habe schon lange nicht mehr mit brennenden Fackeln für Euch jongliert — seit jenem unglücklichen Vorfall mit den syannesischen Wandteppichen. Ich habe die Zahl der Fackeln reduziert, also ist es jetzt sicherer ...«
    »Nicht nötig«, sagte Kendrick sanft. »Nicht nötig. Ihr habt uns schon lange genug unterhalten — jetzt warten die Hofgeschäfte.«
    Puzzle nickte traurig, verbeugte sich dann und entfernte sich rückwärts vom Thron, indem

Weitere Kostenlose Bücher