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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Audienz.« Er sah sich um und stellte fest, daß Shaso ein ganzes Stück hinter ihnen ritt, senkte aber dennoch die Stimme. »Und noch etwas. Er ist so schwarz wie eine Krähe.«
    »Was hat Shasos Hautfarbe damit zu tun ...?« fragte Kendrick irritiert.
    »Nicht er, Hoheit. Der Gesandte aus Hierosol.« Kendrick runzelte die Stirn. »Das ist sonderbar.«
    »Das Ganze ist sonderbar«, sagte Gailon von Gronefeld. »Soweit man hört jedenfalls.«

    Wenn den namenlosen Jungen schon die ferne Silhouette der Festung verstört zu haben schien, so versetzte ihn das Basiliskentor im mächtigen äußeren Mauerring regelrecht in Panik. Chert, der unzählige Male durch dieses Tor gegangen war, versuchte es jetzt mit den Augen eines Fremden zu sehen. Der Granit, vier Manneslängen hoch und noch um etliches höher im Vergleich zur Statur des Funderlings, war zu einem schrecklichen Reptil gehauen, das den Torbogen krönte. Sein gewundener Schlangenleib quoll zu beiden Seiten herab, und der Kopf des Ungeheuers ragte über den eichenen, eisenbeschlagenen Torflügeln ins Leere. Die grimmigen Augen und das von Zähnen starrende Maul waren mit dünnen Plättchen von Edelsteinen und Elfenbein besetzt, die Schuppen goldumrandet. In den Funderlingszünften war, anders als bei den Großwüchsigen, allgemein bekannt, daß es das Tor schon viel länger gab als die menschlichen Bewohner der Festung.
    »Das Ungeheuer ist nicht lebendig«, erklärte er dem Kind sanft. »Noch nicht mal echt. Es ist nur behauener Stein.«
    Der Junge sah ihn an, und Chert glaubte in seinen Augen etwas zu sehen, das tiefer und seltsamer war als schlichte Angst.
    »Ich ... ich mag es nicht sehen«, sagte der Junge.
    »Dann mach die Augen zu, wenn wir durch das Tor gehen, denn anders kommen wir nicht zu unserem Haus. Und dort ist das Essen.«
    Der Junge linste durch helle Wimpern zu dem finsteren Wurm empor, kniff dann die Augen fest zu.
    »Kommt jetzt, ihr zwei!« rief Opalia. »Es wird bald dunkel.«
    Chert führte den Jungen durchs Tor. Wachen mit hohem Helmbusch und schwarzem Waffenrock musterten sie neugierig, weil sie es nicht gewohnt waren, daß Funderlinge ein Menschenkind an ihnen vorbeiführten. Aber wenn diese hünenhaften Männer, die das silberne Wolf-und-Sterne-Wappenzeichen der Eddons trugen, ob dieses ungewöhnlichen Vorkommnisses beunruhigt waren, dann doch nicht beunruhigt genug, um ihre schweren Hellebarden zu heben und das letzte warme Sonnenfleckchen zu verlassen.
    Die Prinzessin und ihre Begleiter hatten ihr Ziel bereits erreicht. Als die Funderlinge und ihr neues Mündel auf dem arkadengesäumten Marktplatz vor dem mächtigen Trigontempel ankamen, konnte Chert bis zur Neuen Mauer und dem dahinterliegenden Haupthügel blicken, wo die Lichter des Inneren Zwingers so zahlreich waren wie Glühwürmchen an einem Mittsommerabend. Das Rabentor zur Hauptburg war offen, und Dutzende von Bediensteten waren mit Fackeln aus dem Palast gekommen, um die heimkehrenden Jäger zu empfangen, ihnen Pferde und Ausrüstung abzunehmen und sie zu warmen Mahlzeiten und warmen Betten zu geleiten. »Wer herrscht hier?« fragte der Junge.
    Das schien eine komische Frage, und jetzt war es Chert, der zögerte. »In diesem Königreich? Meinst du dem Namen nach? Oder in Wirklichkeit?«
    Der Junge runzelte die Stirn — diese Unterscheidung war ihm zu hoch. »Wer herrscht in diesem großen Haus?«
    Es schien immer noch eine seltsame Frage für ein Kind, aber Chert hatte heute schon Seltsameres erlebt. »König Olin, aber der ist nicht hier. Er ist in Gefangenschaft, im Süden.« Es war fast ein Jahr her, daß Olin aufgebrochen war, um die kleinen Königreiche und Fürstentümer jenseits des Herzlands von Eion dazu zu bewegen, einen Bund gegen Xis zu schließen. Er hatte gehofft, sie gegen die wachsende Bedrohung durch den Autarchen einen zu können, jenen Gottkönig, der sich, von seinem Reich auf dem südlichen Kontinent Xand aus, Territorien an der unteren Küste Eions einzuverleiben versuchte wie eine Spinne Fliegen. Doch durch den Verrat seines Rivalen Hesper, des Königs von Jellon, war König Olin dem Protektor von Hierosol in die Hände gefallen, einem Abenteurer namens Ludis Drakava, der jetzt über diese uralte Stadt herrschte. Aber die Einzelheiten kannte Chert selbst nicht so genau, und es war sowieso viel zu kompliziert, um es einem hungrigen Kind zu erklären. »Der älteste Sohn des Königs, Kendrick, ist der Prinzregent. Das heißt, er regiert, während sein

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