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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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jenen Priesterinnen der Göttin der Gelehrsamkeit. Es hieß, Zoria sei einst die mächtigste Göttin überhaupt gewesen, Herrin über tausend Tempel und ihrem göttlichen Vater Perin ebenbürtig, aber jetzt mußten sich ihre Anhängerinnen damit bescheiden, das Trigon in kleinen internen Dingen zu beraten und Mädchen von Stand das Lesen, Schreiben und — obgleich das die meisten Adelsfamilien nicht für unbedingt notwendig hielten — Denken zu lehren.
    Utta war fast so alt wie die Herzoginwitwe Merolanna, aber wenn Brionys Großtante eine kunstvoll bemalte und geschmückte königliche Bark war, so war die Vuttin schlicht wie ein schnelles Segelschiff, groß und schlank, mit kurzgeschorenem grauem Haar. Als Briony kam, war sie gerade beim Nähen, und ihre hellblauen Augen weiteten sich, als das Mädchen auf der Stelle in Tränen ausbrach. Doch obwohl die Zorienpriesterin einfühlsame Fragen stellte und den Antworten aufmerksam lauschte, war es nicht ihre Art, eine Schülerin, und sei es ihre allerwichtigste, einfach in den Arm zu nehmen.
    Als Briony alles erzählt hatte, nickte Utta bedächtig. »Wie Ihr sagt, wir Frauen haben ein schweres Los. In diesem Leben wandern wir aus den Händen eines Mannes in die des nächsten, und wir können nur hoffen, daß derjenige, bei dem wir schließlich landen, großmütig über uns waltet.«
    »Aber Ihr gehört keinem Mann.« Briony hatte sich ein wenig erholt. Utta hatte etwas an sich — die stille Kraft eines alten Baumes an einem windigen Berghang das sie immer beruhigte. »Ihr tut doch, was Ihr wollt, ohne Ehemann oder Herrn.«
    Schwester Utta lächelte traurig. »Ich glaube nicht, daß Ihr all das aufgeben wolltet, was ich dafür aufgegeben habe. Und wie könnt Ihr sagen, ich hätte keinen Herrn? Wenn Euer Vater — oder jetzt Euer Bruder — je beschließen sollte, mich fortzuschicken oder gar zu töten, würde ich binnen einer Stunde die Marktstraße hinuntertrotten oder an einem der Meilenpfähle baumeln.«
    »Es ist nicht fair! Und ich werde es nicht tun!«
    Utta nickte wieder, als nähme sie Brionys Worte ernst. »Letztlich kann man keine Frau dazu bringen, wider ihre eigene Seele zu handeln, es sei denn, sie will es selbst. Aber vielleicht sind Eure Sorgen ja verfrüht. Ihr wißt doch noch gar nicht, was Euer Bruder sagen wird.«
    »Oh, doch, das weiß ich.« Die Worte waren bitter auf ihrer Zunge. »Der Kronrat — ja, fast der gesamte Adel — beschwert sich schon seit Wochen über die Last des Lösegelds für unseren Vater, und sie haben Kendrick auch schon geraten, mich doch mit irgendeinem reichen Fürstensproß aus dem Süden zu verheiraten, um einen Teil davon zu finanzieren. Und wenn er sich weigert, flüstern sie hinter vorgehaltener Hand, er sei zu jung, um die Markenlande zu regieren. Das ist für ihn die Gelegenheit, ihr Gestöhne im Handumdrehen abzustellen. Ich an seiner Stelle würde es tun.«
    »Aber Ihr seid nicht Kendrick, und Ihr habt seine Entscheidung noch nicht vernommen.« Jetzt tat Utta etwas höchst Außergewöhnliches, indem sie für einen Moment Brionys Hand nahm. »Aber ich will damit nicht sagen, daß Eure Angst unbegründet ist. Was ich über Ludis Drakava höre, ist nicht gerade ermutigend.«
    »Ich werde es nicht tun. Niemals! Es ist alles so unfair — diese Kleider, die ich tragen muß, all diese Vorschriften, was ich sagen und tun soll ... und jetzt das! Ich hasse es, eine Frau zu sein. Es ist ein Fluch.« Briony sah plötzlich auf. »Ich könnte doch Priesterin werden, so wie Ihr! Wenn ich eine Zorienschwester würde, wäre meine Jungfräulichkeit doch heilig, oder?«
    »Und ewig.« Diesmal gelang es Utta nicht ganz, ein Lächeln zustande zu bringen. »Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr überhaupt gegen den Willen Eures Bruders in die Schwesternschaft aufgenommen werden könntet. Aber ist es nicht noch ein bißchen früh, an so etwas zu denken?«
    Plötzlich sah Briony wieder den Gesandten Dawet dan-Faar vor sich, diese Augen, so stolz und wild wie die eines Leoparden. Er schien nicht der Typ, wochenlang herumzustehen und zu warten, daß ein geschlagener Feind die Kapitulationsbedingungen akzeptierte. »Ich glaube, mir bleibt nicht viel Zeit — vielleicht noch bis morgen. Oh, Schwester, was soll ich nur tun?«
    »Sprecht mit Eurem Bruder, dem Prinzregenten. Sagt ihm, wie Ihr euch fühlt — ich glaube, Euer Bruder ist ein guter Mensch, genau wie Euer Vater. Wenn es denn wirklich keine andere Möglichkeit zu geben scheint ... nun

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