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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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bei uns. Und er ... er ist Teil dessen, was ich Euch erzählen will. Es ist etwas Wichtiges.« Ihm war jetzt gar nicht wohl, nicht weil Chavens Miene unfreundlich gewesen wäre, sondern weil er einfach vergessen hatte, wie wachsam die Augen des Arztes waren — wie die des Jungen, nur ohne den Vorhang. Ein gnadenlos scharfer Verstand, der alles wahrnahm.
    »Nun, dann müssen wir hineingehen, wo wir in Ruhe reden können. Es tut mir leid, daß ich Euch habe warten lassen, aber ich mußte zuerst den Burschen, der für mich arbeitet, wegschicken. Ich gebe das Geheimnis dieser Tunnel nicht leichtfertig weiter.« Chaven lächelte, aber Chert fragte sich, ob da nicht ein unausgesprochenes
Wie gewisse andere Leute
mitschwang.
    Chaven führte sie durch eine Reihe leerer Gänge, die feuchtkalt und fensterlos waren, weil sie noch unterm Erdgeschoß lagen, im Fels des Observatoriumshügels.
    »Was ich dir gesagt habe, war die Wahrheit«, flüsterte Chert dem Jungen zu. »Daß unter der Hauptburg nicht gegraben werden darf. Wir sind zwar unter der Mauer durchgekommen, aber erst, als wir sozusagen im Haus dieses Mannes waren. Unser Teil des Stollens endet außerhalb des inneren Befestigungsrings.«
    Der Junge sah ihn an, als hätte er behauptet, mit Fischen jonglieren und gleichzeitig auf den Fingern pfeifen zu können, und Chert wußte selbst nicht recht, was ihn zu dieser Erklärung getrieben hatte. Welche Loyalitätsbande konnten diesen Jungen schon mit der königlichen Familie verbinden? Oder auch mit ihm, Chert? Außer der Dankbarkeit für ein Bett und ein paar Mahlzeiten?
    Chaven führte sie mehrere Treppen hinauf, bis sie in einen kleinen, mit Teppichen ausgelegten Raum kamen. An den Wänden und auf Borden stapelten sich Gefäße und Kästen, als handelte es sich um eine Vorratskammer. Die kleinen Fenster waren mit nachthimmeldunklen Wandteppichen verhangen, auf denen funkelnde Edelsteine wie Sternbilder angeordnet waren.
    Der Arzt war weit besser in Form, als man hätte meinen sollen: Chert war als einziger von der Treppensteigerei außer Atem. »Darf ich Euch etwas zu essen oder zu trinken anbieten?« fragte Chaven. »Es kann allerdings einen Moment dauern. Toby habe ich auf einen Botengang geschickt, und den anderen Bediensteten möchte ich lieber nicht sagen, daß ich Gäste habe, die durch keine Tür gekommen sind — jedenfalls durch keine, von der sie wissen ...«
    Chert winkte dankend ab. »Ich würde gern ein gepflegtes Gläschen mit Euch trinken, aber ich glaube, ich komme besser gleich zur erzführenden Schicht, wenn ich das so sagen darf. Ist es in Ordnung, wenn der Junge sich hier ein wenig umschaut?«
    Flint ging langsam im Raum umher und studierte, ohne etwas anzufassen, die an den Wänden aufgereihten Gegenstände, hauptsächlich Deckelgefäße aus Glas und poliertem Messing.
    »Ich denke schon«, sagte Chaven, »aber vielleicht sollte ich mein Urteil zurückstellen, bis Ihr mir erzählt habt, was Euch hierherführt — mit ihm.«
    Chert berichtete, was er am Vortag in den Hügeln nördlich von Südmarkstadt gesehen hatte. Der Arzt hörte zu, stellte ein paar Zwischenfragen und sagte, als der kleine Mann mit seinen Ausführungen zu Ende war, eine ganze Weile gar nichts. Flint war mit der Inspektion des Raumes fertig. Er saß jetzt auf dem Fußboden und betrachtete die Wandteppiche mit dem komplizierten Sternenmuster.
    »Das überrascht mich nicht«, sagte Chaven schließlich. »Ich habe bereits ... einiges gehört. Und gesehen. Aber es ist dennoch eine erschreckende Nachricht.«
    »Was hat es zu bedeuten?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht sagen. Aber die Schattengrenze ist etwas, das unser Verständnis übersteigt und dessen Geheimnis wir nie ergründen konnten. Kaum jemand, der sie überschreitet, kehrt zurück, und die wenigen, die wiederkamen, sind nicht mehr bei Verstand. Unser einziger Trost war, daß sich die Schattengrenze jahrhundertelang nicht bewegt hat — aber jetzt bewegt sie sich wieder. Ich muß davon ausgehen, daß sie sich immer weiter verschieben wird, es sei denn, irgend etwas hielte sie auf, aber was könnte das sein?« Er stand auf und rieb sich die Hände.
    »Immer weiter ...?«
    »Ja, ich fürchte, nachdem sie sich einmal in Bewegung gesetzt hat, wird die Schattengrenze immer weiter vorrücken, über ganz Südmark hinweg — vielleicht sogar über ganz Eion. Bis das Land wieder im Schatten und in der Alten Nacht versunken ist.« Der Arzt sah stirnrunzelnd auf

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