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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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beraten.«
    O-holi-bamah sprach mit Bedacht. »Ich weiß nicht, warum es dir verwehrt ist, mit den Zwillingen zu gehen. Ich weiß nur, was die Sterne sagen, und ich stimme ihnen zu. Vieles ist uns unbegreiflich. Aber die Botschaft der Sterne lautet: ›Fürchte dich nicht. Auch deine Bestimmung wird sich erfüllend«
    »Ich wünschte mir, daß Großvater Lamech noch am Leben wäre«, flüsterte Yalith. »Und daß El meinem Vater nicht befohlen hätte, eine Arche zu bauen. Und daß er die Flut nicht prophezeit hätte.«
    »Und – unsere Zwillinge?«
    Yalith rannen Tränen über die Wangen. »Ich mag mir nicht wünschen, daß sie nicht zu uns gekommen sein sollten. Oder daß ich nicht zur Frau herangereift sein sollte.«
    O-holi-bamah zog sie an sich. »Auch ich habe Angst, kleine Schwester. Ich trage Japheths Kind unter dem Herzen, und ich habe Angst vor dem, was kommen wird. Ich habe Angst vor der großen Flut und ihren schrecklichen Folgen, dem großen Sterben und der allgemeinen Vernichtung. Manchmal habe ich sogar Angst vor Noah und seinem unbeirrten Streben. Aber ich vertraue Japheth. Ich vertraue den Sternen. Ich vertraue El. Ich vertraue darauf, daß alles einem guten Ende dient.«
    Die Sterne glitten unter den Horizont. Der Himmel hüllte sich in fahles Licht. Die Vögel stimmten freudig ihr Morgenlied an, und die Paviane turnten schnatternd durchs Geäst.
    Bald würde die Arche fertig sein.
    Tagsüber blieben die Zwillinge selten allein. Sie mußten ihre geflüsterten Gespräche bei Nacht führen.
    »Seit Tagen lassen sich die Seraphim nicht mehr blicken«, sagte Sandy.
    »Die Nephilim auch nicht«, sagte Dennys.
    »Auf sie kann ich verzichten. Vor allem auf Rofocal.«
    »Manchmal glaube ich, sie seien da«, meinte Dennys. »Jedesmal, wenn ich eine Ameise oder einen Wurm sehe, ist mir, als würde da etwas rot oder blau oder purpurfarben aufflackern. Aber sie materialisieren sich nie.«
    »Ich muß einen der Seraphim treffen«, sagte Sandy. »Am besten Adnarel. Ich hatte gehofft – leider vergeblich -, daß der Skarabäus bei Higgaion sein würde.«
    Dennys dachte nach. »Wahrscheinlich zeigen sie sich ungern vor allen Leuten. Das taten sie nur einmal, bei Großvater Lamechs Begräbnis. Da kamen sie alle zwölf. Seit wir in Noahs Zelt schlafen und an der Arche mitbauen, sind wir immer von anderen Menschen umgeben. Vielleicht sollten wir morgen auf ein Stündchen in die Wüste gehen, nur du und ich.«
    »Das ist eine gute Idee«, sagte Sandy. »Aber warum willst du bis morgen warten? Erstens ist es bei Tag zu heiß, und zweitens lassen uns Noah und Matred nie aus den Augen. Sie haben Angst, daß wir noch einmal entführt werden. Gehen wir doch gleich.«
    »Jetzt gleich?«
    »Warum nicht?«
    »Meinetwegen.«
    »Aber sei leise. Wecke Higgaion nicht.«
    »Oder Selah.«
    »Oder…«
    »Pst!«
    Sie stahlen sich aus dem Zelt.
    Nicht leise genug. Yalith hörte die beiden gehen. Wurde von seltsamer Unruhe erfaßt. Stand auf. Folgte ihnen.
    »Kkkk. Sie kommen.«
    »Hsss. Darauf haben wir gewartet.«
    »Szzz. Endlich.«
    Die Nephilim schlüpften aus ihrer Tiergestalt, hoben die nachtschwarzen Flügel zum Himmel. Verfinsterten die Sterne.
    Das kleine Mammut schreckte aus dem Schlaf. Es hatte geträumt, von Tiglahs Bruder geschlagen worden zu sein. Es stieß Selah an, der Higgaion anstieß, der den Rüssel nach den Zwillingen ausstreckte. Und nur die Schlaffelle ertastete.
    Higgaion trottete zu Yaliths Lager. Fand es leer. Trottete zu Noah und Matred. Die schliefen.
    Selah schnaufte leise. Der Skarabäus glitzerte auf Higgaions Ohr.
    Higgaion legte den Kopf schief, wie um zu lauschen. Schwenkte den Rüssel.
    Die drei Mammuts verließen das Zelt und trabten hinaus in die Wüste.Noch ehe sie erkannten, was ihnen geschah, waren die Zwillinge beinahe umzingelt. Langsam, unerbittlich schloß sich der Kreis der Nephilim. Es roch nach Steinen und Kälte.
    Sandy hatte das Gefühl, daß ihm eine unsichtbare Hand die Luft abpreßte. »Rasch!« rief er Dennys zu und hechtete aus dem Kreis, ehe der sich vollends gebildet hatte.
    Dennys zwängte sich an purpurschwarzen Flügeln vorbei, die ihn zu ersticken drohten. »Lauf, was du kannst!«
    Die Zwillinge waren flink. Aber die Nephilim waren flinker.
    Wieder sammelten sie sich zum großen Kreis, wieder rangen Sandy und Dennys nach Atem. Sandy duckte sich, stürmte, den Kopf voran, zwischen Rofocal und Ugiel durch. Dennys rammte Eblis.
    Aber sie waren nur zu zweit, und die Nephilim

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