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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Nichtsein.
    Sandy wehrte sich verzweifelt gegen die Ohnmacht. Er spürte nicht, daß sein Arm ins Leere griff, Dennys nicht länger stützte. Er fiel und fiel, landete auf dem Boden, aber nicht auf glühendem Sand, sondern in weichem Gras. Sein Körper lag im Schatten, wurde vom sanften Windhauch der Palmblätter gekühlt.
    Sein Einhorn hatte die Oase erreicht.

Ein Pelikan in der Wildnis
    A llmählich erwachte Sandy aus seiner Ohnmacht. Er hatte die Augen fest geschlossen. Kein Wecker läutete, also mußte es Samstag sein. Er spitzte die Ohren. Dennys, der im Stockbett über ihm lag, rührte sich nicht. Etwas Kühles, Nasses rann über Sandys Körper. Das tat gut. Er wollte noch nicht auf stehen. Am Samstag gab es immer vielArbeit. Sie mußten in Mutters Labor und auf dem Flur den Boden wischen. Womöglich hatte es in der Nacht geschneit. Dann hieß es außerdem Schnee schaufeln.
    »Sand?«
    Was war das für eine seltsam fremde Stimme? Was war das für ein seltsamer, durchdringender Geruch? Wieder die lindernde Nässe auf seinem Körper.
    Vorsichtig blinzelte er. Über ihm, im Licht, hingen zwei braungebrannte Gesichter, starrten ihn besorgt an. Das eine Gesicht war jung, mit spärlichem, blondem Flaum bedeckt, das andere von zahllosen Runzeln durchfurcht. Alt. Lederhaut. Ein wallender, weißer Bart.
    So etwas träumt man doch nicht. Sandy steckte unwillig den Arm aus. Wo war Dennys‘ Matratze? Fort. Er öffnete die Augen ganz.
    Er lag in einem Zelt. In einem großen Zelt aus Ziegenfell. Jedenfalls roch es danach. Durch die Öffnung im Dach fiel Licht. Sanftes Sonnenuntergangslicht. Ein seltsames kleines Tier kam an sein Lager getrottet und spritzte ihn aus dem Rüssel mit Wasser an. Sein Körper ganz heiß. Sonnenbrand. Das Tier holte das Wasser aus einem hohen Tonkrug, der in der Ecke stand.
    »Sand?« fragte der junge Mann. »Bist du wach?«
    »Jay?« Er setzte sich mühsam auf. Seine gerötete Haut schmerzte von den Fellen, auf denen er gelegen hatte.
    »Sand? Geht es dir jetzt besser?« Japheths Stimme zitterte vor Angst.
    »Alles okay. Es ist nur ein Sonnenbrand.«
    Der alte Mann legte ihm die Hand auf die Stirn. »Du hast hohes Fieber. Die Sonnenkrankheit setzt jedem schwer zu, der das Leben in der Wüste nicht gewohnt ist. Kommst du von jenseits der Berge?«
    Sandy schaute den Alten an. Er war noch kleiner als Japheth, hatte aber die gleichen wasserblauen Augen, die sehr hell vom dunklen Teint abstachen.
    Er führte die flache Hand an die Stirn, wie er es von Japheth gelernt hatte. »Ich heiße Sandy.«
    »Sand. Ja. Japheth sagte es mir.« Der Alte erwiderte die Geste, berührte dabei seine schlohweißen Locken. »Lamech. Großvater Lamech. Japheth trag dich in mein Zelt.«
    Sandy blickte sich erschrocken um. »Dennys! Wo ist Dennys?« Er war jetzt hellwach. Er wußte jetzt wieder, daß er nicht daheim in seinem Bett lag, sondern sich in dieser sonderbaren Wüste befand, auf irgendeinem Planeten, in irgendeinem Sonnensystem, in irgendeiner Galaxis, irgendwo im Universum. Ihn schauderte. »Dennys?«
    »Er ging mit dem Einhorn auf.«
    »Er… was?«
    »Sand«, erläuterte Japheth geduldig, »Dennys muß das Bewußtsein verloren haben. Ich sagte euch doch, wie das mit Einhörnern ist. Manchmal gibt es sie, manchmal nicht. Als der Den ohnmächtig wurde, löste sich das Einhorn auf und nahm ihn mit.«
    »Wir müssen sofort nach ihm suchen! Wir müssen ihn finden!« Sandy versuchte aufzustehen.
    Großvater Lamech drückte ihn aufs Lager nieder. Für einen so kleinen Menschen war er überraschend kräftig. »Beruhige dich, Sand. Keine Sorge. Deinem Bruder wird nichts geschehen.«
    »Aber…«
    »Einhörner sind sehr gewissenhaft.«
    »Aber…«
    »Zugegeben, man weiß nie, ob sie sich herbeidenken lassen. Trotzdem sind sie sehr gewissenhaft. Uns ist nicht bekannt, wohin ein Einhorn geht, wenn es sich auflöst. Aber wenn man es herbeidenkt, kommt es wieder. Und mit ihm wird auch Den wiederkommen.«
    »Bestimmt?«
    »Ja, bestimmt.«
    Der Alte hatte so überzeugend gesprochen, daß Sandy für den Augenblick erleichtert war. »Also gut. Dann schafft eines her. Jetzt gleich.«
    Der Alte und Japheth wandten sich Higgaion zu. Das Mammut hob den Rüssel und richtete ihn zum Zeltdach.
    Der rosige Schein war verglommen. Der Alte, Japheth und Higgaion hoben sich nur noch als vage Schatten ab. Plötzlich wurde es hell, und Sandy erkannte den Silberleib eines Einhorns. Aber Dennys zeigte sich nicht.
    »Dennys!« rief er.
    Und

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