Die große Volksverarsche
wir seit 100 Jahren produziert haben –, wir muten auch der Umwelt extrem viel zu. Zu viel. Die Meere sind inzwischen so von der Plastikpest verseucht, dass einige Fischer mehr Plastikmüll als Fisch in ihren Netzen haben. Seevögel füttern ihre Jungen mit Plastikfetzen, die daran kläglich zugrunde gehen. Fische verwechseln Plastikpartikel mit Plankton und vergiften sich. Im nordöstlichen Pazifik treibt eine Plastikinsel, »The North Pacific Gyre« genannt, die jetzt schon achtmal so groß ist wie Deutschland. Und wächst. Und wächst. Und wächst. Derartige schwimmende Plastikmüllhalden entstehen in allen Weltmeeren – auch im Mittelmeer.
Plastik ist aber nicht nur eine Müllseuche, sondern zuallererst ein Ölprodukt. Die Ölmenge, die für die Produktion der nur in Deutschland jährlich verwendeten Plastikverpackungen benötigt wird, entspricht jener Menge Öl, die 2010 bei der Deepwater-Horizon-Katastrophe in den Golf von Mexiko geflossen ist.
Obendrein verursacht allein der Boom der Einwegplastik- respektive Polyethylenterephthalat (PET)-Flaschen zusätzliche CO 2 -Emissionen von 1,4 Millionen Tonnen. Pro Jahr. Tendenz steigend. Doch Einweg ist ein so herrliches Milliardengeschäft für die Verpackungsindustrie – in Deutschland werden jährlich zehn Milliarden PET-Flaschen verkauft –, dass die alles daransetzt und immer neue Marketingstrategien austüftelt, um es weiter voranzutreiben. Unterstützt wird sie in Sachen PET-Flaschen leider durch das gut gemeinte und im Hinblick auf sortenreines Recycling auch gut funktionierende Pfandsystem; denn viele Menschen, die ihr Wasser aus den ach so praktischen Plastikflaschen trinken, haben dabei sogar ein gutes Gewissen, schließlich werden die Flaschen ja, wenn sie zurückgegeben wurden, recycelt. Das stimmt. Zumindest teilweise. Allerdings machen insbesondere die Discounter, die voll und ganz auf Einweg setzen, damit gleich noch einmal einen Batzen Geld, indem sie die brav zurückgegebenen Einweg-PET-Flaschen an die Recyclingindustrie verkaufen. Und bei einer Rücklaufquote von erfreulichen 98,5 Prozent in Deutschland kommt da so manche Tonne Einwegplastik zusammen. Besonders hoch ist der Plastikbedarf in China, wo man aus unserem PET-Einwegplastik unter anderem Pullover, Trainingshosen und Jacken herstellt. Bei rund 16 Flaschen je Pullover rechnet sich das schnell ... Nur leider nicht für unsere Umwelt: Forscher warnen vor dem Mikroplastik, das bei jedem Waschen erst ins Abwasser, dann ins Meer und schließlich in die Nahrungskette gerät. Was nicht in Chinas Bekleidungsfabriken, auf asiatischen Deponien oder im Meer landet, wird zu minderwertigen Plastikprodukten verarbeitet.
Die Antwort auf meine Anfrage bei Netto, wie viele Einwegplastikflaschen monatlich zurückgegeben werden (durchschnittlich in Kilogramm):
Leider können wir Ihnen die gewünschten Informationen
nicht zur Verfügung stellen, da unsere Daten ausschließlich
für den internen Gebrauch bestimmt sind.
Wir bitten um Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Netto Marken-Discount AG & Co. KG
Industriepark Ponholz 1
93142 Maxhütte-Haidhof
Und auch von Lidl kam außer der standardisierten Antwortmail des Kundenservice ( Ihre Anfrage ist zur Bearbeitung bei uns eingegangen. Sie erhalten in Kürze eine Rückmeldung. Bis dahin bitten wir Sie noch um etwas Geduld. ) keinerlei konkrete Reaktion. Geduld hin oder her ... Tja, man lässt sich eben nicht gerne in die Karten gucken. Zumal dieses Recyclingzusatzgeschäft den Preis für das Discounterwasser subventioniert, womit der fatale Kreislauf rund wäre: preiswertes Mineralwasser in Einweg-PET-Flaschen, höherer Absatz, mehr Einwegplastikflaschen, niedriger Preis, noch mehr Kunden, noch mehr Einwegplastik ... Inzwischen teilen sich Aldi und Lidl 50 Prozent des gesamten deutschen Mineralwasser-Marktes – und der Mehrweganteil beim Mineralwasser ist in Deutschland auf traurige 36 Prozent gesunken.
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Die gute alte Glasflasche ist und bleibt die umweltschonendste Verpackungsform für Getränke.
Sie wird in Deutschland bereits zu 80 Prozent wiederverwertet, enthält weder giftige Rückstände noch Chemikalien und wird im Schnitt bis zu 70-mal verwendet, bis sie eines traurigen Tages zu Bruch geht.
Warum quälen wir uns eigentlich mit dieser ständigen Mineralwasser-Schlepperei?
Erstens sind die meisten sogenannten Mineralwässer kaum mehr als aufbereitetes Leitungswasser (z. B. Bonaqua) und eine Gelddruckmaschine für
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