Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)
reibt sich das Gesicht. »Als Tierarzt habe ich viel mit Facto zusammengearbeitet. Sie hatten erstklassige, große Labore, Produktionsanlagen … Möglichkeiten über Möglichkeiten. Ich dachte, der größte Lebensmittelkonzern der Welt hätte vielleicht Interesse daran, mir dabei zu helfen, die, na ja, eben die Tiere zu retten. Also habe ich mich gleich an die Chefetage gewandt, ich bekam auch sofort einen Termin bei …«
Er braucht nicht weiterzusprechen. Polly und ich sehen uns an. Wir beide wissen, wer der Boss von Facto ist.
»Ich hatte die besten Absichten.« Er schlägt seine Handflächen gegeneinander. »Also habe ich mich mit Selwyn Stone getroffen. Habe ihm meine Berechnungen gezeigt, ihm meine Proben und alles überreicht. Er schien überzeugt – sagte, er sei hocherfreut. Bot mir eine Riesensumme Geld an.«
Bei dieser Erinnerung stiehlt sich ein bitteres Lächeln auf sein Gesicht.
»Aber ich habe nie etwas davon gesehen. Noch am selben Abend schickte er diesen Typen … Skuldiss … um mich einzuschüchtern. Stone hatte geblufft. Sie hatten überhaupt kein Interesse an einem Heilmittel. Im Gegenteil – sie verlangten, dass ich meine Ergebnisse vernichte. Alles. Falls ich mich weigern würde, drohten sie …«
Mit angehaltenem Atem warte ich auf den nächsten Satz, ich wage es nicht, mich zu rühren.
Pa zeigt auf mich.
»Dich. Sie sagten, sie würden kommen und dich holen. Ich konnte es nicht glauben. Aber das hinderte sie nicht daran – eine Woche später. Sie tauchten auf und entführten dich, verwüsteten mein Labor …« Er deutet auf das Chaos ringsum. »Sie sagten, wenn ich auch nur einen Gedanken daran verschwende, eine Formel aufzustellen, die auch nur entfernt etwas mit einem Heilmittel zu tun hat, dann wäre dein Leben …« Er starrt auf seine großen Füße, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. »Dann wäre dein Leben in Gefahr«, sagt er leise. »Und dann haben sie mich eingesperrt. Hier im – du weißt schon.«
Wir blicken uns im Labor um – mein Blick streift das Bett, die Kleiderberge, die einsame Zahnbürste. Damit habe ich nicht gerechnet. Damit habe ich ganz und gar nicht gerechnet.
Aber jetzt bin ich an der Reihe. Ich will eine Antwort auf die Frage, die mich seit sechs Jahren nicht loslässt. Ich nehme einen Stift, ziehe ein Blatt Papier aus einem der wackligen Stapel, schreibe und halte ihm dann das Blatt hin. Eine ganz einfache Frage.
Warum?
Er wirft einen raschen Blick auf das Blatt und lacht trocken.
»Warum das alles? Ganz einfach – Formula! Ich hatte ein Heilmittel entwickelt, das die letzten Tiere der Welt retten würde. Was ich nicht wusste, war, dass Selwyn gerade Formula erfunden hatte. Das chemische Wunder, das sämtliche Nahrungsmittel ersetzt. Um seine Erfindung an den Mann zu bringen, musste Stone die Tiere aus dem Weg schaffen. Ohne Tiere gäbe es außer Formula nichts mehr zu essen. Sein Plan ging auf. Facto ließ auch noch die allerletzten Tiere ausrotten – und wurde reich. Unglaublich reich und unglaublich mächtig.«
Der Himmel draußen ist dunkel, über den Wolkenkratzern ballen sich die Regenwolken.
Polly und ich sehen Pa inzwischen mit anderen Augen. Vielleicht, ja vielleicht …
Pollys Miene hellt sich auf. »Aber das heißt doch – dass Sie den Tieren helfen könnten, oder? Haben Sie das Heilmittel noch, Professor Jaynes?«
»Hmm.« Pa blickt durchs Fenster auf die Wolken. »Ich fürchte … Kurz gesagt, nein. Facto hat … alles ist weg, ich habe nichts mehr.«
Nein.
Er kann uns nicht helfen.
Ich fühle mich, als hätte mir gerade jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt.
Nach allem, was wir durchgemacht haben.
Ich taumle unter diesem Schlag.
Pa kommt hinter dem Tisch hervor auf mich zu und will mich in den Arm nehmen, aber ich weiche ihm aus. Alle möglichen Gefühle wirbeln durch meinen Kopf, ich weiß nicht, was ich denken soll, ich …
»Kes.« Er bleibt stehen, vergräbt die Hände in seiner schmuddeligen Jacke. »Warte. Ich kann das alles erklären.«
Aber ich will seine nutzlosen Erklärungen nicht hören.
Alles, woran ich geglaubt habe!
Und dann …
»Nein!«
Ein einziges Wort, mehr nicht. Ich blicke Pa in die Augen und sage: »Nein.«
Er und Polly starren mich an.
Also sage ich es noch einmal.
»Nein.«
»Kes, hast du …«, und dann: »Was hast du da gerade gesagt?«
»Nein.« Es wird mit jedem Mal einfacher.
»Nein.« Weil das nicht alles gewesen sein kann. Wenn ich könnte, würde ich noch so
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