Die Gruseltour von Schreckenstein
hier ein Hochzeitspaar ermordet wurde — vor mehr als 500 Jahren. Und an diesen obskuren Ort lade ich beziehungsweise mein Bruder euch ein!“ Mit einem Kopfrucken sah sie in die Runde.
Andi nickte, weil er recht behalten hatte. „Als Geisterfeuerwehr!“
„So ungefähr.“ Die Rülpshexe lachte mit langen Zähnen. „Bitte — niemand muß hier übernachten! Ihr könnt nach dem Tanz ins Dorfgasthaus gehen, in den oberen Saal. Alle. Aber nachdem ihr so besonders beherzt sein sollt und in nächtlichen Unternehmungen erfahren, wäre es nützlich, wenn einige hierbleiben würden...“
„Ehrensache!“ unterbrach Dampfwalze. „Aufgeben ist ja idiotisch!“
Mücke trat ihn in die Kniekehle. „Muß das sein?“
Rülpshexe Irmintraut lächelte dem Muskelprotz zu. „In der Familie gibt’s eine Legende“, fuhr sie fort und schaute sanft irre in die Runde. „Sie besagt: Wenn viele junge Leute, die unerschütterlich glauben, daß es Spuk und Geister nicht gibt, eine Nacht lang das Schloß mit Tanz und heiterer Laune füllen, ziehen sich die unsichtbaren Störenfriede für immer zurück. Vielleicht lacht ihr mich jetzt aus, daß ich so was glaube. Aber ich muß alles versuchen. Um das Schloß halten zu können, möchte ich ein Hotel draus machen. Und das geht nur ohne Geister. Die Hellseherin hat mir da einen Hoffnungsschimmer gebracht. Wenn ihr es nicht schafft mit eurer unbeschwerten Fröhlichkeit, bleibt, nach der Legende, noch die große Mutprobe: ein Mann muß 13 Stunden allein im Hungerturm oder im tiefen Verlies ausharren. Ohne Licht. Auch dann sollen die Geister verschwinden. Aber nach dem Mann suche ich seit dreißig Jahren. Ein Vetter hat’s mal probiert. Nach einer Stunde stand er schlotternd wieder da. Ihr seht, diese ererbte Pracht, um die uns viele Menschen beneiden, ist eine rechte Last.“ Sie lachte und zuckte mit einer Gesichtshälfte. „Also: Wer bleiben will, mag sich häuslich einrichten. Noch bevor es dunkel wird, sollte der Tanz beginnen.“
„Ja“, meinte Mücke und dachte an den Streich, den sie gemacht hatten, als Mauersäge den Schreckenstein in ein Hotel umwandeln wollte. „An sich sind wir ja Spezialisten für Verhinderung von Hotels in alten Gemäuern. Aber vielleicht gelingt es uns auch mal andersrum.“
Unvermittelt begann die Rülpshexe Beifall zu klatschen, wobei sich ihre Handflächen nicht immer trafen.
„Die hat sie nicht alle“, flüsterte der kleine Herbert.
„Alles halb so wild“, meinte der kleine Eberhard.
Beatrix drückte Stephans Arm. „Ich hab jetzt schon Gänsehaut.“
„Ich auch“, bekannte Ottokar. „Der Laden ist so gemütlich wie ein Brunnenschacht.“
„Dann wartet mal ab!“ meinte Stephan. „Die Horror Rock Band wird euch schon einheizen!“
Schreckensteiner und Rosenfelserinnen holten ihre Schlafsäcke und Unterlagen. Die Bandmitglieder wollten Schlagzeug, Baßgeige und die Instrumentenkoffer erst später holen. Die Fahrer der Busse aber hatten mit Mauersäges Diener Jean die Fressalien ausgeladen und wollten in ihr Quartier im Dorfgasthof. Dorthin sollte Jean sie mit dem Geländewagen bringen. Kurz entschlossen bat Sportlehrer Rolle, der seine empfindliche Baßgelge nicht unnötig in dem feuchten Schloß lagern wollte, sie um die Schlüssel. „Nur die Türschlüssel“, sagte er. „Am besten von allen Bussen. Falls jemand was holen oder wegsperren will. Hier spukt’s nämlich.“ Den Eindruck hatten die Fahrer auch und gaben ihm die gewünschten Schlüssel.
Neben der Bibliothek lag der Festsaal. Strehlau und Fräulein Böcklmeier probierten die beiden Konzertflügel. Gleichzeitig. Hans-Jürgen wackelte mit den Ohren „Nenn das vierhändig sein soll — für mich ist das höchstens vierbeinig!“
Die feucht-modrige Luft war den Instrumenten nicht bekommen.
Hinter dem Festsaal lagen der grüne, nach der Doppeltür der rote Saal, die beiden Lagerstätten für
die Nacht. Im Parkett fehlten Stücke oder es hatte sich zu Hügeln aufgeworfen; an den Wänden hingen verblaßte Bilder, darunter standen einige baufällige Stühle. Mehr nicht.
„Das Bad befindet sich hinter dem Kornspeicher!“ erklärte die Rülpshexe mit Komfort in der Stimme und bog über einen schmalen Korridor in den nächsten Flügel ab. An einem Fenster blieb sie stehen und deutete hinaus. Auf dieser Seite grenzte das Schloß an einen düsteren See.
„Das Wasser ist erfrischend kalt und sehr tief!“ fuhr die Rülpshexe fort. „Die Treppe da vorn führt direkt
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