Die Günstlinge der Unterwelt - 5
unsterbliche Treue schwören, dann wären auch sie durch diese Bande in Sicherheit. Richard erkannte, daß hier der Ursprung der d’Haranischen Bande zu ihm lag. Alric hatte diesen Bann also geschaffen, um sein Volk vor den Traumwandlern zu schützen, nicht um sie zu versklaven. Dieses wohltätige Werk seines Ahnen erfüllte Richard mit Stolz.
In atemloser Spannung las er das Tagebuch, gegen jede Wahrscheinlichkeit hoffend, daß man Alric Rahl glauben würde, obwohl er wußte, daß dies nicht geschehen war. Kolo hatte sich behutsam für Beweise interessiert, schwankte jedoch nach wie vor. Er berichtete, daß die meisten anderen Zauberer der Überzeugung waren, Alric führe irgend etwas im Schilde. Sie beharrten darauf, ein Rahl sei einzig daran interessiert, die Welt zu beherrschen. Richard stöhnte vor Enttäuschung laut, als er las, daß sie eine Nachricht geschickt hatten, in der sie sich weigerten, Alric die Treue zu schwören und sich an ihn zu binden.
Von einem anhaltenden Geräusch genervt, drehte Richard sich zum Fenster um. Draußen herrschte stockfinstere Nacht. Er hatte nicht einmal mitbekommen, daß die Sonne untergegangen war. Die Kerze, die er scheinbar gerade erst angezündet hatte, war zur Hälfte heruntergebrannt. Das nervende Geräusch war Wasser, das von Eiszapfen heruntertropfte. Der Frühling machte seinen ersten Versuch, den Winter zu vertreiben.
Als er seine Gedanken von dem Tagebuch löste, kamen die heftig quälenden Sorgen um Kahlan zurück. Jeden Tag trafen Boten ein, um zu berichten, man habe nichts gefunden. Wie war es möglich, daß Kahlan verschwunden war?
»Wünschen mich irgendwelche Boten zu sprechen?«
Mit genervter Miene trat Cara von einem Fuß auf den anderen. »Aber ja«, meinte sie voller Spott, »da draußen stehen mehrere, aber ich habe ihnen gesagt, daß Ihr zu sehr damit beschäftigt seid, nett mit mir zu plaudern, und Euch zur Zeit nicht um sie kümmern könnt.«
Richard seufzte. »Entschuldigt, Cara. Ich weiß, Ihr sagt es mir, sobald ein Bote eintrifft.« Er drohte ihr mit dem Finger. »Selbst wenn ich schlafe.«
Sie lächelte. »Selbst wenn Ihr schlaft.«
Richard sah sich im Zimmer um und runzelte die Stirn. »Wo ist Berdine geblieben?«
Cara verdrehte die Augen. »Sie hat Euch schon vor Stunden gesagt, daß sie sich vor ihrer Wache etwas schlafen legen will. Ihr habt ›Ja, gute Nacht‹ zu ihr gesagt.«
Richard sah ins Tagebuch. »Ja, kann sein.«
Er las noch einmal einen Abschnitt über die Befürchtung der Zauberer, die Sliph könnte etwas hindurchschaffen, gegen das sie machtlos waren. Der Krieg war Richard ein beängstigendes Rätsel. Beide Seiten schufen Wesen der Magie, meist Geschöpfe, die zu einem einzigen Zweck erschaffen wurden, wie zum Beispiel die Traumwandler, und auf die die jeweils andere Seite dann mit einem Gegenschlag reagieren mußte, sofern sie dazu imstande war. Zu seiner Bestürzung erfuhr er, daß einige dieser Wesen aus Menschen geschaffen wurden – aus den Zauberern selbst. So verzweifelt waren sie.
Mit jedem Tag wuchs ihre Sorge, daß vor der Vollendung der Türme die Sliph etwas Unerwartetes bringen könnte, mit dem sie nicht fertig wurden. Eigentlich hatte man die Sliph aus ihrer Magie erschaffen, um ihnen die Überbrückung großer Entfernungen und so den Angriff auf ihre Feinde zu ermöglichen. So hatte sie sich sowohl als große Gefahr als auch als nützlich erwiesen. Es hieß, sobald die Türme vollendet seien, könne die Sliph sich schlafen legen. Richard fragte sich ständig, was diese Sliph war und wie sie sich ›schlafen legen‹ konnte, und wie die Zauberer sie später, nach dem Krieg, wecken wollten, was sie angeblich zu tun hofften.
Die Zauberer entschieden, wegen der Gefahr eines Angriffs durch die Sliph müßten einige der wichtigeren, wertvolleren oder gefährlicheren Dinge aus der Burg zu ihrem Schutz entfernt werden. Der letzte jener Gegenstände, die man für äußerst erhaltenswert erachtete, war längst in Sicherheit, als Kolo schrieb:
Heute ist einer unserer sehnlichsten Wünsche in Erfüllung gegangen, möglicherweise nur durch die hervorragende, unermüdliche Arbeit einer Gruppe von annähernd einhundert Menschen. Die Gegenstände, deren Verlust wir im Falle eines Überranntwerdens am meisten fürchteten, sind in Sicherheit. Alle Menschen in der Burg brachen in Jubel aus, als wir heute Nachricht erhielten, daß wir erfolgreich waren. Manch einer hatte es für unmöglich gehalten, doch zum Erstaunen
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