Die Günstlinge der Unterwelt - 5
aller ist es vollbracht: Der Tempel der Winde ist fort.
Fort? Was war der Tempel der Winde, und wohin war er verschwunden? Kolos Tagebuch lieferte dafür keine Erklärung.
Richard kratzte sich gähnend hinten am Hals. Er konnte kaum noch die Augen offenhalten. Es gab noch viel zu lesen, doch er brauchte Schlaf. Er wollte, daß Kahlan zurückkehrte, damit er sie vor dem Traumwandler beschützen konnte. Er wollte Zedd sehen, damit er ihm von dem erzählen konnte, das er in Erfahrung gebracht hatte.
Richard stand auf und schlurfte zur Tür.
»Ihr geht ins Bett, um zu träumen – ohne mich?« fragte Cara.
Richard mußte lächeln. »Das tue ich immer. Weckt mich, wenn –«
»Wenn ein Bote eintrifft. Ja, ja, ich glaube, Ihr erwähntet es bereits.«
Richard nickte und wollte zur Tür. Cara packte ihn am Arm.
»Lord Rahl, sie werden sie finden. Sie wird gerettet werden. Schlaft gut. Es sind D’Haraner, die nach ihr suchen, und die versagen nicht.«
Richard tätschelte ihre Schulter und entfernte sich. »Ich werde das Tagebuch hierlassen, damit Berdine, sobald sie aufwacht, daran arbeiten kann.«
Gähnend rieb er sich die Augen und ging auf sein Zimmer, das nicht weit den Gang hinunter lag. Er machte sich gerade mal die Mühe, die Stiefel auszuziehen, den Waffengurt über seinen Kopf zu streifen und das Schwert der Wahrheit auf einen Stuhl zu legen, bevor er aufs Bett fiel. Trotz seiner Sorgen um Kahlan war er Sekunden später eingeschlafen.
Er hatte gerade einen beunruhigenden Traum von ihr, als ihn lautes Klopfen weckte. Er wälzte sich auf den Rücken. Die Tür ging auf, und plötzlich war es hell. Er sah, daß Cara eine Lampe trug. Sie trat neben sein Bett und entzündete eine weitere Lampe.
»Lord Rahl, wacht auf. Wacht auf.«
»Ich bin wach.« Er setzte sich auf. »Was ist? Wie lange habe ich geschlafen?«
»Vielleicht vier Stunden. Berdine arbeitet bereits seit zwei Stunden an dem Buch. Irgend etwas hat sie sehr in Aufregung versetzt. Sie wollte Euch wecken, damit Ihr ihr helft, aber das habe ich nicht zugelassen.«
»Warum habt Ihr mich dann jetzt geweckt? Ist es ein Bote?«
»Ja. Ein Bote ist hier.«
Richard hätte sich fast aufs Bett zurückfallen lassen. Die Boten brachten niemals Neuigkeiten.
»Steht auf, Lord Rahl. Der Bote bringt Neuigkeiten.«
Plötzlich war Richard wach, als wäre eine Glocke in seinem Kopf erklungen. Die Beine über die Bettkante schwingen und seine Stiefel überziehen war eins. »Wo ist er?«
»Er wird gerade hergebracht.«
Genau in diesem Augenblick stürzte Ulic herein, einen Mann stützend, den er mitgebracht hatte. Der Soldat sah aus, als wäre er wochenlang geritten. Er konnte sich kaum noch aus eigener Kraft auf den Beinen halten.
»Lord Rahl, ich bringe eine Nachricht.« Richard gab dem jungen Soldaten ein Zeichen, er solle sich auf die Bettkante setzen, doch er lehnte das Angebot winkend ab und wollte statt dessen etwas sagen. »Wir haben etwas gefunden. General Reibisch trug mir auf, Euch zuerst zu sagen, daß Ihr nicht erschrecken sollt. Wir haben ihre Leiche nicht gefunden, also muß sie noch am Leben sein.«
»Was habt Ihr dann gefunden!« Richard merkte, daß er zitterte.
Der Mann griff unter das Leder seiner Uniform und zog etwas hervor. Richard schnappte danach und ließ es sich auseinanderfalten, damit er es erkennen konnte. Es war ein karminrotes Cape.
»Wir haben den Schauplatz eines Kampfes entdeckt. Dort lagen tote Soldaten, die dieses Cape trugen. Viele tote Soldaten. An die hundert.« Er zog einen weiteren Gegenstand hervor und überreichte ihn.
Richard faltete ihn auseinander. Es war ein unsauber herausgeschnittenes Stück verblichenen blauen Stoffes mit vier goldenen Troddeln am Rand.
»Lunetta«, sagte er tonlos. »Das gehört Lunetta.«
»General Reibisch trug mir auf, Euch zu sagen, daß ein Kampf stattgefunden habe. Viele Tote des Lebensborns lagen dort herum. Bäume waren von einer Feuerwalze umgeweht worden, so als wäre in diesem Kampf Magie zum Einsatz gekommen. Es gab auch verbrannte Leichen.
Man fand nur eine einzige Leiche, die nicht dem Lebensborn angehörte. Einen D’Haraner. Einen großen Kerl, der nur ein Auge hatte und über dem anderen eine Narbe, wo es zugenäht worden war.«
»Orsk! Das ist Orsk! Er war Kahlans Bewacher.«
»General Reibisch trug mir auf, Euch zu sagen, nichts deute darauf hin, daß sie oder sonst jemand in ihrer Gesellschaft getötet wurde. Offenbar haben sie sich tapfer geschlagen, wurden aber am
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