Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Schwert der Wahrheit unbewacht zurückzulassen, vor allem, nachdem er erfahren hatte, wie viele Männer bei seiner Herstellung umgekommen waren. Er zog den Waffengurt über den Kopf und starrte auf die Scheide in seinen Händen. Er sah über die Schulter, hinüber zu dem Mriswith, der ihn beobachtete. Er konnte seinen Mriswithfreund bitten, auf das Schwert aufzupassen.
Nein. Er konnte niemanden bitten, die Verantwortung zu übernehmen und etwas so Gefährliches und Begehrtes zu bewachen. Das Schwert der Wahrheit war seine Verantwortung, nicht die eines anderen.
Richard zog das Schwert aus der Scheide, so daß das helle Klirren des Stahls durch den Raum hallte und allmählich verklang. Der Zorn der Magie verging jedoch nicht. Er durchtoste ihn donnernd.
Er hielt die Klinge in die Höhe, blickte an ihr entlang. Er fühlte, wie der erhabene Golddraht des Wortes WAHRHEIT in seine Handfläche schnitt. Was sollte er tun? Er mußte unbedingt zu Kahlan. Dennoch wollte er das Schwert während seiner Abwesenheit in Sicherheit wissen.
Dann fiel es ihm über den Ruf des Verlangens ein.
Er drehte das Schwert herum, das Heft mit beiden Händen umklammernd. Ächzend vor Anstrengung, die gespeist wurde aus der Magie, aus der tosenden Wut, die sie erzeugte, stieß er das Schwert nach unten.
Funken und Steinsplitter flogen davon, als Richard das Schwert bis zum Heft in einen gewaltigen Steinquader im Boden rammte. Als er seine Hände löste, spürte er noch immer die Magie in seinem Innern. Er mußte das Schwert zurücklassen, aber die Magie besaß er noch. Er war der wahre Sucher.
»Ich bin immer noch mit der Magie des Schwertes verbunden. Ich halte die Magie in meinem Innern zurück. Wird mich das töten?«
»Nein. Nur was die Magie hervorbringt, ist tödlich, nicht, was sie empfängt.«
Richard kletterte auf die Mauer aus Stein, und plötzlich begann er sich Sorgen zu machen. Nein, er mußte es tun. Es ließ sich nicht umgehen.
»Hautbruder.« Richard drehte sich zu dem Mriswith um, als dieser ihn anrief. »Du bist ohne Waffe. Nimm dies.« Er warf Richard eines seiner dreiklingigen Messer herauf. Richard fing es am Griff auf, als es in flachem Bogen durch die Luft segelte. Die seitlichen Stichblätter schmiegten sich zu beiden Seiten um sein Handgelenk, als er den gekreuzten Griff der Waffe mit seiner Faust umfaßte. Sie lag überraschend gut in der Hand, wie eine Verlängerung seines Armes.
»Die Yabree werden bald für dich singen.«
Richard nickte. »Danke.«
Der Mriswith erwiderte zögernd das Lächeln.
Richard drehte sich zu der Sliph um. »Ich weiß nicht, ob ich lange genug die Luft anhalten kann.«
»Ich sagte es dir bereits, ich bin lang genug, um unser Ziel zu erreichen.«
»Nein, ich meinte, ich brauche Atemluft.« Er atmete übertrieben ein und aus.
»Du atmest mich.«
Er lauschte auf ihre Stimme, die durch den Raum hallte. »Was?«
»Um zu überleben, wenn du reist, mußt du mich atmen. Beim ersten Mal wirst du dich fürchten, aber du mußt es tun. Wer es nicht tut, stirbt in mir. Habe keine Angst, ich werde dich am Leben erhalten, wenn du mich atmest. Wenn wir den anderen Ort erreichen, dann mußt du mich wieder aus- und die Luft einatmen. Davor wirst du dich ebenso fürchten. Aber du mußt es tun, sonst wirst du sterben.«
Richard machte ein ungläubiges Gesicht. Dieses Quecksilber sollte er einatmen? Brachte er es tatsächlich über sich, etwas Derartiges zu tun?
Er mußte zu Kahlan. Sie war in Gefahr. Er mußte es tun. Es ließ sich nicht umgehen.
Richard schluckte, dann nahm er einen tiefen, süßen Atemzug. »Also gut, ich bin bereit. Was muß ich tun?«
»Du mußt gar nichts tun. Das Tun übernehme ich.«
Ein Arm aus flüssigem Quecksilber kam hoch und legte sich um ihn, dabei zog sich ein warmer, wellenförmiger Griff zusammen und packte zu. Der Arm hob ihn von der Mauer und stürzte ihn hinab in die silbrige Gischt.
Plötzlich hatte Richard eine Vision: Er mußte daran denken, wie Mrs. Rencliff in den tosenden Fluten untergegangen war.
47. Kapitel
Verna blinzelte in das grelle Licht einer Lampe, als die Tür aufging. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Es war zu früh für Leomas Rückkehr. Jetzt schon zitterte sie vor Angst, die Tränen traten ihr in die Augen.
»Los, hier rein«, schnauzte Leoma jemanden an.
Verna setzte sich auf und sah, wie sich eine kleine, dürre Frau in den Eingang schob. »Wieso muß ich das tun?« beklagte sich eine vertraute Stimme. »Ich will ihre Zelle
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