Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Schacht heraufgeschossen. Das Heulen wurde lauter und lauter, während das Ding nach oben raste.
Richard stieß sich von der Steinmauer zurück – keinen Wimpernschlag zu früh. Er war sicher, daß es aus dem Brunnen hervorschießen und durch die Decke schmettern würde. Nichts, was sich so schnell bewegte, konnte rechtzeitig anhalten. Und doch geschah genau das.
Mit einem Mal war alles vollkommen still. Richard richtete sich auf.
Eine metallisch glänzende Erhebung schob sich langsam über den Rand der steinernen Ummauerung. Sie reckte sich zu einer massigen Gestalt empor, stieg unheimlich von alleine in die Höhe, Wasser gleich, das in der Luft zu stehen schien – nur war es kein Wasser. Seine glänzende Außenhaut spiegelte die gesamte Umgebung wie eine polierte Rüstung wider und verzerrte die Bilder, als es größer wurde und sich bewegte.
Es sah aus wie lebendiges Quecksilber.
Der Klumpen, mit dem Körper im Brunnen wie durch einen Hals verbunden, verzog sich immer weiter, verbog sich zu Kanten und Flächen, Falten und Bögen. Er verwandelte sich in das Gesicht einer Frau. Richard hätte fast das Atmen vergessen. Jetzt verstand er, warum Kolo die Sliph als eine ›Sie‹ bezeichnet hatte.
Endlich entdeckte das Gesicht ihn. Es sah aus wie eine vollkommen glatte Skulptur aus Silber – nur daß sie sich bewegte.
»Meister«, sprach sie mit unheimlicher Stimme, die im ganzen Raum widerhallte. Ihre Lippen hatten sich beim Sprechen nicht bewegt, doch sie lächelte, als sei sie höchst erfreut. Das silberne Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck der Neugier. »Du hast mich gerufen? Du möchtest reisen?«
Richard trat näher. »Ja. Reisen. Ich möchte reisen.«
Das freundliche Lächeln kehrte zurück. »Dann komm. Wir werden reisen.«
Richard wischte sich den Staub von den Händen an seinem Hemd ab. »Wie? Wie werden wir … reisen?«
Die silbernen Brauen zogen sich zusammen. »Du bist noch nie gereist?«
Richard schüttelte den Kopf. »Nein. Aber jetzt muß ich es. Ich muß in die Alte Welt.«
»Aha. Dort war ich schon oft. Komm, wir werden reisen.«
Richard zögerte. »Was soll ich tun? Was willst du, daß ich tue?«
Eine Hand bildete sich heraus und berührte den oberen Rand der Mauer. »Komm zu mir«, sagte die Stimme, durch den Raum hallend. »Ich werde dich hinbringen.«
»Wie lange dauert es?«
Der fragende Ausdruck kehrte zurück. »Wie lange? Von hier bis dort. So lange. Ich bin lang genug. Ich war bereits dort.«
»Ich meine … wie viele Stunden? Tage? Wochen?«
Sie schien nicht zu verstehen. »Die anderen Reisenden haben mich nie so etwas gefragt.«
»Dann kann es nicht lange dauern. Kolo hat auch nie etwas davon erwähnt.« Gelegentlich konnte das Tagebuch recht niederschmetternd sein, denn Kolo erläuterte nirgendwo, was sowieso alle wußten – damals. Er hatte auch gar nicht versucht, Wissen oder Informationen zu vermitteln.
»Kolo?«
Richard deutete auf die Gebeine. »Ich kenne seinen Namen nicht. Ich nenne ihn Kolo.«
Das Gesicht reckte sich aus dem Brunnen hervor, um über die Ummauerung zu blicken. »Ich kann mich nicht erinnern, das je gesehen zu haben.«
»Nun, er ist tot. Vorher hat er nicht so ausgesehen.« Richard entschied, es sei besser, nicht zu erklären, wer Kolo war, sonst erinnerte sie sich womöglich und war gekränkt. Das konnte er sich nicht leisten, er mußte zu Kahlan. »Ich bin in Eile. Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn wir uns beeilen könnten.«
»Komm näher, damit ich entscheiden kann, ob du fähig bist zu reisen.«
Richard trat näher an die Mauer heran und blieb still stehen, während die Hand hervorkam und seine Stirn berührte. Er zuckte zurück. Sie war warm. Er hatte erwartet, daß sie kalt sei. Er ging zu der Hand zurück und ließ zu, daß die Handfläche über seine Stirn strich.
»Du kannst reisen«, meinte die Sliph. »Du verfügst über beide Seiten, die erforderlich sind. Aber in diesem Zustand wirst du sterben.«
»Was meinst du mit ›in diesem Zustand‹?«
Die quecksilberne Hand senkte sich neben ihm und deutete auf das Schwert, jedoch sorgsam darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen. »Dieser Gegenstand der Magie verträgt sich nicht mit dem Leben in der Sliph. Mit dieser Magie in meinem Inneren endet auch alles Leben in meinem Innern.«
»Soll das heißen, ich muß es hier zurücklassen?«
»Wenn du reisen willst, dann mußt du es, oder du wirst sterben.«
Richard war entschieden unwohl bei der Vorstellung, das
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