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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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ansetzten, glatt und fest. –Sieht cool aus, wirklich, sagte die Verkäuferin gleichgültig.
    Vormittags hatte Isabelle endlich Alexa erreicht, –ich bitte dich, was soll uns passiert sein, im Hintergrund Claras Lachen, –um was machst du dir Sorgen? Es hatte Isabelle einen Stich gegeben, wie jedesmal, nicht an erster Stelle zu stehen, nicht die erste Geige zu spielen bei Alexa, niemals, und warum auch –weil sie eine Wohnung geteilt hatten für zwei Jahre? Jakob aber würde sie heute abend erwarten, –ich warte auf dich, hatte er gesagt und war gegangen. Im ersten Berliner Jahr hatte Isabelle wie besessen Kleider gekauft, um den Heidelberger, den Freiburger Provinzmief loszuwerden, doch Hanna hatte sie ausgelacht. Alexa war zu Clara gezogen, und seither hortete Isabelle das Geld, als horte sie ihre Vergangenheit und ihre Zukunft, um in dem schmalen Spalt dazwischen unberührt zu bleiben, rührte das Geld, das ihre Eltern schickten, nicht an, zur freien Verfügung, wie ihr Vater jede Weihnachten und jeden Geburtstag schrieb. Isabelle schlüpfte aus den Schuhen, stand in schwarzen Nylonstrümpfen auf dem Parkettboden und nickte der Verkäuferin zu. 279 DM. Draußen setzte sich quietschend eine Straßenbahn in Bewegung. Entschlossen ließ Isabelle die Turnschuhe in eine aufgehaltene Papiertüte fallen, schlüpfte wieder in die neuen Schuhe; deutlich klackerten die Absätze auf dem Bürgersteig, das Kind mit dem Fahrrad, ein kleiner Junge, sah zu ihr auf, strahlte, als er sich auf den Sattel setzte und schwankend davonradelte. Fast wäre er gestürzt, als er sich noch einmal nach Isabelle umdrehte. Kinder mochten sie, als wäre sie selbst ein Kind, nur verkleidet, eine gealterte Vierzehnjährige, hatte Alexa behauptet und Kinderwäsche aus Frottee gekauft, in der sie Isabelle fotografierte. In der Luft kreiste ein Hubschrauber.

3
    Jakob war früh aufgewacht und ging zu Fuß ins Büro. Nach dem gestrigen Regen trockneten die Straßen, aber es war ein kühler, unfreundlicher Tag. Im März war er dreiunddreißig Jahre alt geworden, die Zusammenfassungen eines verstrichenen Jahres schienen immer weniger Platz einzunehmen. Ab jetzt würde die Zeit anders vergehen, langsamer; für das, was vergangen war, genügte die Zusammenfassung, genügten ein paar Notizen zur Orientierung, dachte er, ein unkomplizierter Fall, der mit einem knappen Kommentar auskam. Die ernsten Gesichter der wenigen Passanten ärgerten ihn, es war ihnen nichts zugestoßen, es war nicht ausgemacht, daß ihnen etwas zustoßen würde, dachte er. Seit dem Tod seiner Mutter, war er selber von Unglück verschont geblieben. Sie war kurz vor seinem zwölften Geburtstag gestorben, und Tante Fini war zu ihm und seinem Vater gezogen, hatte mittags gekocht, mit dem Ausdruck heimlicher Genugtuung, daß ihr jüngerer Bruder ohne sie nicht zurechtkam, daß die Ehe mit einer Kleinbürgerin aus Pommern doch gescheitert war.
    Am Tod. Jakob hatte einige Wochen lang kaum gesprochen, schon gar nicht mit Tante Fini, die peu a` peu das Schreibzimmer ihrer Schwägerin Anngrit leer räumte, ärgerlich, daß gegen den Biedermeiersekretär, ein Geschenk ihres Bruders an seine Frau, nichts einzuwenden war. Die Briefe und Fotos räumte sie aber aus den Schubladen, und andere Möbel ließ sie abholen, zwei Sessel, ein Tischchen, die bunten Jakobsen-Stühle, die Anngrit Holbach in den siebziger Jahren gekauft hatte, durchsichtige, aufblasbare Plastikhocker, Lampen. Erst als Tante Fini vier Jahre später das Haus zugunsten der neuen Freundin ihres Bruders, Gertrud, hatte räumen müssen, bemerkte Jakob, wie sehr es verändert war. Er versuchte sich an seine Mutter zu erinnern, an die hellen Farben und klaren Formen, die sie geliebt hatte, und er sehnte den Moment herbei, da er ausziehen würde, nicht mehr die Tür in die dunkle Stille des Hauses öffnen müßte. Auch Gertruds Zuversicht war bald aufgebraucht. Sie kam abends, vor seinem Vater, mit Tüten beladen nach Hause, rief Jakob laut beim Namen, spielte in der Küche ihre alten Kassetten, Beatles, Fats Waller, Thelonious Monk. Aber es hielt nicht lange vor, nichts hielt lange vor in diesem Haus, das sie bewohnten wie Durchreisende, die rücksichtsvoll mit den fremden Möbeln umgingen und auf die Abreise warteten. Sein Vater blieb alleine zurück, denn mit Jakob, sagte Gertrud zu Jakob, würde auch sie das Haus verlassen. Er bildete sich nicht ein, daß sie seinetwegen geblieben war, aber er war in sie verliebt. Zum Abschied,

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