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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Tisch und Stuhl, kaufte etwas Neues, und so war auch Hans immer zufriedenstellend eingerichtet und ausgerüstet. –Idiot, was meinst du, für wen ich dieses Bett gekauft habe? Bestimmt nicht, um selber die nächsten zehn Jahre darin zu schlafen. Eines ihrer Spiele, die so lange schon und so gut funktionierten, daß Jakob manchmal zu glauben begann, es würde kein böses Erwachen geben eines Tages. Jedenfalls nicht, was Hans betraf. Und vielleicht gar nicht. Aus dem Kindergarten, antwortete Jakob, wenn sie gefragt wurden, woher sie sich kannten; inzwischen entsprach es beinahe der Wahrheit, sie kannten sich, seit sie denken konnten oder wollten. Da sie beide keine feste Freundin hatten, galten sie fast als Paar. Warum Hans alleine blieb, wußte nicht einmal Jakob. Er selbst traf keine Frau, die ihn begeisterte, also wartete er auf Isabelle. Zehn Jahre hatte er sich, nicht gänzlich ernsthaft, als Frist gesetzt. Wenn er Isabelle nicht bis 2001 wiedergefunden hatte, würde er sie vergessen.
    Um zu feiern, daß er im August 2001 Partner bei Golbert & Schreiber geworden war, lud er Hans ins Diekmann ein, danach gingen sie in den Würgeengel . Es war Zufall, daß Hans sich zur Theke drängte, um ihnen zwei Whisky zu holen, Jakob unaufmerksam den Stimmen neben ihm lauschte. Isabelle. Zum ersten Mal seit zehn Jahren hörte er ihren Namen. Es war nicht schwierig gewesen, mit Ginka ins Gespräch zu kommen. Als sie ihn für den elften September einlud, verlegte er den Termin mit einem New Yorker Investor auf den neunten September und bat Julia, die Sekretärin, seinen Flug umzubuchen.
    Er dachte an den Namen, der ihn damals überrascht hatte, an ihr Gesicht, ebenmäßig und eigenartig abwesend, als würde sie auf etwas warten, ohne neugierig zu sein. Sie hatte in nichts den Jurastudentinnen geähnelt, sie sagte, sie wolle Malerei oder Design studieren. Er erinnerte sich an ihr Gesicht, an ihre kleinen Brüste und daran, daß er keinen Augenblick verlegen gewesen war. Ich habe Isabelle wiedergefunden, hatte er noch im Würgeengel grinsend zu Hans gesagt.
    Er hatte sie tatsächlich wiedergefunden. Es war der falsche Tag gewesen, bis zum Abend fürchtete er, die Einladung sei obsolet, die Party würde nicht stattfinden, doch dann war er mit dem Taxi in die Schlüterstraße gefahren, hatte geklingelt und war ohne weiteres eingelassen worden. Da war Isabelle.
    Nach einem unkonzentrierten Vormittag in der Kanzlei wanderte er in der Mittagspause unruhig Richtung Potsdamer Platz und wieder zurück zur Mauerstraße. Er wollte die Zeitungen nicht sehen, die Gesprächsfetzen nicht hören. Vorgestern noch war er dort gewesen. Aber er war rechtzeitig abgereist. Er war verschont geblieben, Isabelle, dachte er, hatte ihn gerettet.

4
    Mae war außer sich, sie klammerte sich an ihn, im Treppenhaus, schluchzend. Völlig hysterisch. Jim hörte, daß der Fernseher lief. Zu dritt waren sie unterwegs gewesen, Albert, Ben und er, und er hatte mit Ben gestritten, während Albert schwieg, wieder und wieder dieselbe CD abspielte, etwas, das Jim ekelte, als pinkelte Albert ins Auto. Es war nicht die Musik, sondern wie Albert zuhörte, großspurig mit den Händen in der Luft herumfuchtelte und nur nach dem Lenker griff, wenn es unvermeidlich war. Oder wenn ein Polizeiauto auftauchte, an diesem Tag häufiger als gewöhnlich, auf ihrer Strecke von Süden her, vor allem um die Docks herum, an den Zufahrtsstraßen, bei Silvertown. Jim fluchte, weil Ben diesmal zweifellos recht hatte mit seiner Nervosität. Was zum Teufel machte die Polizei hier? Aber Albert weigerte sich, das Radio einzuschalten, drehte die Musik lauter. Die Bässe, ein Chor, eine künstliche, elektronisch klingende Frauenstimme, because it’s been so long, that I can’t explain and it’s been so long, right now, so wrong , er konnte sie nicht abschütteln, die hartnäckige, enervierende Stimme, und kurz darauf – Albert hatte ihn bis zur Pentonville Road gefahren – Maes hysterisches Schluchzen. Seine Hand traf ihre Schläfe, weil sie sich duckte oder stolperte. Er faßte sie unterm Arm und zog sie ins Wohnzimmer, in dem Augenblick, als auf dem Bildschirm der zweite der Türme in sich zusammensackte, zeitlupenlangsam, oder wie war das? Ein Trick? Bis er die Verbindung herstellte, zwischen den Bildern und Maes Hysterie, zwischen den Polizeiautos und den Bildern. Aber er begriff nicht, was geschah. Mae redete von den Toten, wiegte sich, als hielte sie ein Kind im Arm, später

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