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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Stadt. Sehen konnte man kaum etwas, dafür aber riechen.
    »Was essen diese Menschen wohl?«, fragte sie. »Es sind so viele.«
    »Bestimmt gibt es auf der Ostseite Felder«, mutmaßte Cheftu. »Die Öfen, von denen er gesprochen hat, dienen wahrscheinlich dazu, diese Leute zu ernähren.« Hier konnte man erkennen, dass nach ihrer langen Wanderung rund um die Esagila der Morgen, der natürliche Morgen, bald anbrechen würde.
    Chloes letzte - allerletzte - Reserven waren erschöpft. Sie schlief praktisch im Stehen. »Es stinkt.«
    »Stimmt«, bestätigte Cheftu vehement. »Sollen wir weitergehen und mal sehen, ob es auf der anderen Seite besser riecht?«
    »Gibt es hier keine Müllgruben? Oder Latrinen?« Beim Militär hatte es oberste Priorität, den Standort für diese beiden Einrichtungen festzulegen, wenn man ein Lager aufschlug. »Es gibt überhaupt keine Organisation hier.«
    »Nicht in der Gemeinschaft«, stimmte Cheftu ihr zu. Dicht an den Grundmauern des Bauwerks bleibend, wanderten sie weiter.
    Als die Sonne schließlich aufgegangen war, waren sie auf der Ostseite angekommen. Noch mehr Zelte. Noch mehr Ziegelmanufakturen. Und die Öfen dienten nicht zum Brotbacken -sondern zum Ziegelbrennen. Sie gingen einen Weg entlang, an dem sich gebrannte und bemalte Ziegel reihten, zum Einmauern bereit. »Ziegel für die Verkleidung?« Chloe deutete auf die Farben, die jenen an allen ihr bekannten Stufentempeln entsprachen. Weil sie nicht bis zur Spitze des Bauwerks sehen konnte, wusste sie nicht, wie viele Stufen die Esagila hatte, aber sie konnte von hier unten erkennen, dass die Verkleidung bislang nur für vier Stufen fertig war.
    »Was essen all diese Menschen nur?«, fragte Cheftu.
    In stillschweigender Übereinkunft durchquerten sie diesen Abschnitt der Zeltstadt, bis sie die Gerüche und Geräusche hinter sich gelassen hatten. Die Esagila zeichnete sich zunehmend deutlicher in der Morgendämmerung ab, durchbohrte den heller werdenden Himmel. »Einfach nicht zu glauben«, sagte Chloe. »Irgendwo wird all das sehr wohl organisiert.«
    »Sie sind nicht tot«, sagte eine Stimme leise. »Sonst würden Käfer auf ihnen rumkrabbeln.«
    »Aber sie arbeiten nicht«, widersprach eine zweite Stimme. »Und wer nicht arbeitet, stirbt.«
    Chloe öffnete die Augen einen Spalt weit. Zwei Kinder standen mit weit aufgerissenen Augen über ihr und Cheftu. Das eine hatte einen Eimer in der Hand, das zweite einen Korb. Beide waren noch keine sechs Jahre alt.
    Sie rührte sich.
    Schreiend rannten die beiden davon, Eimer und Körbchen zurücklassend.
    »Die kommen wieder«, prophezeite Cheftu und räkelte sich gähnend.
    Sie kamen wieder, und zwar mit erwachsener Verstärkung. Die Fragen der Männer waren nicht unhöflich, aber ruppig. Wer sie waren? Warum sie hier waren? Welche Fähigkeiten sie hatten? Cheftu wurde zu den Arbeitern eingeteilt und Chloe an den Ofen abgestellt.
    »Was ist mit Essen und Obdach?«, erkundigte sich Cheftu.
    »Nehmt, was ihr findet«, war die Antwort. »Ihr könnt euch etwas von den Palmen oder den Feldern holen, außerdem wird euch bestimmt jemand Essen verkaufen.«
    »Wir -«, setzte Chloe an, doch Cheftu legte die Hand auf ihren Arm.
    »Können wir unser Zelt aufschlagen, wo es uns gefällt?«
    »Wo ihr den Gestank der Scheiße am ehesten ertragen könnt«, antwortete einer. »Eure Schicht beginnt in zwei Doppelstunden. Sie dauert zwölf Doppelstunden, darum solltet ihr euch bis dahin eingerichtet haben.«
    Als sie abgezogen waren, überlegten Chloe und Cheftu, was sie jetzt tun sollten. Eigentlich hatten sie vorgehabt, sich hier in Bab-ili mit Nimrod und den Übrigen zu treffen. Beide wollten im Grunde allerdings nicht hier bleiben, doch es sah nicht so aus, als könnten sie hier bleiben und nicht arbeiten, und wenn sie weiterzogen, würde Nimrod sie nie mehr finden. Allenfalls konnten sie ein Stück zurück nach Kish wandern und dabei riskieren, auf die Soldaten des Lugal zu stoßen.
    »Ein paar Tage Arbeit werden uns nicht umbringen«, meinte Chloe. »So schlimm kann es nicht werden, sonst wären bestimmt nicht so viele Menschen hier.«
    Vierzehn Stunden später hätte sie sich für diese Bemerkung am liebsten die Zunge aus dem Mund gerissen. Als sie durch das Zeltlager zu ihrem gemeinsamen Pferch schlurfte, begriff sie, warum die Menschen ohne jeden Schutz im Schatten der Esa-gila schliefen und das Treiben rundherum gar nicht wahrnahmen.
    Sie war am Ende. Mit jedem Muskel, jedem Gelenk, jeder Sehne.

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