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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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im Mittagsschlaf versank, zu zweit und zu dritt durch die Straßen davongeschlichen. Wie Ameisen, die aus einem zertrampelten Hügel fliehen, hatte sich die Gruppe in die verschiedensten Richtungen verstreut, um mögliche Verfolger in die Irre zu führen. Chloe und Cheftu hatten sich in Richtung Norden aufgemacht. Allein, zu zweit, zu Fuß.
    Inzwischen waren sie mehr als einen Tagesmarsch von Kish entfernt. Das Zwielicht hatte den Horizont in Technicolor erleuchtet und eine erholsame Abkühlung mit sich gebracht. Cheftu hatte sie bei der Hand genommen, und sie hatten sich angelächelt, ihr erster Augenkontakt seit dem Morgen. Ein Königreich für irgendein Gefährt mit Rädern, dachte Chloe.
    Norden. Sie wanderten nach Norden, allerdings abseits des Flusses, falls der Lugal von Kish ihnen einen Verfolgungstrupp
    hinterherschickte.
    Chloe gähnte und sah dann auf. Es war Nacht geworden - das ging hier erschreckend schnell - und nun war alles dunkel. Abgesehen vom Horizont im Osten.
    Sie zupfte Cheftu am Arm. »Ein Spuk?«
    Er sah erst sie an, dann nach Osten. Blieb wie angewurzelt stehen und erbleichte. »Was ist das?«
    »Lass uns mal hoffen, dass es keine Außerirdischen sind«, sagte sie. »Für mich sieht das aus wie ein Flughafen. Damit etwas so leuchtet, braucht man eine Menge Glühbirnen.«
    Dann musterte sie ihren Gemahl; er hatte noch nie einen Flughafen gesehen, genauso wenig wie das Strahlen elektrischer Leuchten, die eine ganze Stadt erhellen und den Nachthimmel rosa-lila färben konnten. Zu glauben, dass es da drüben spukte, entsprach ihm da wohl eher. »Geister können es eigentlich keine sein. Die brauchen doch kein Licht, oder?«
    Dass er Angst hatte, wäre wohl zu viel gesagt, doch sein Schritt war ein kleines bisschen weniger forsch als in den letzten Tagen. Wenn Cheftu, der auf der Leiter der Erfahrungen schon eine erkleckliche Anzahl von Sprossen erklommen hatte, so empfand, was mochte dann in Nimrod und seiner Familie vorgehen?
    Ich glaube nicht an kleine grüne Männchen vom Mars, ermahnte sie sich, während sie auf das Ding zuwanderten. Was sollten die auf der Erde denn wollen? Allerdings hatte sie auch keine Erklärung für das, was sie da sah. »Ist das ein ... Raumschiff?«, fragte sie, als sie mehr erkennen konnten.
    Es erhob sich, auf einer Plattform stehend, in abgestuften Stockwerken, hoch, schlank, dem Himmel entgegenragend. Rund um das Riesenobjekt eilten Menschen hin und her. Lärm, Licht, Hektik - Chloes Herzschlag geriet ins Stolpern, und eine Sekunde lang fragte sie sich, ob es wohl klug gewesen war, näher heranzugehen.
    »Das ist die höchste Stufenpyramide, die ich je gesehen habe«, erklärte Cheftu ehrfürchtig. »Das man überhaupt so hoch bauen kann!«
    Seine Worte ermöglichten es ihr, die Szene durch eine neue, weniger bizarre Linse zu betrachten. Natürlich - eine Plattform über der anderen. Die Stufen. Die »Raumschiff«-Spitze war in Wahrheit eine höhere, dünnere Pyramide als alle, die sie bislang zu Gesicht bekommen hatte - vom Erscheinungsbild her eher ein Proto-Wolkenkratzer. Ein kleiner. »Wie haben sie das gebaut?«, fragte sie.
    »Sieh dir nur die vielen Leute an«, antwortete er, als sie näher gekommen waren.
    Rund um die Plattform erstreckte sich eine Zeltstadt, ein Meer aus wogenden Ziegenhäuten, durchsetzt von Tausenden Dungfeuern. Riesige Kupferplatten waren seitlich neben hell lodernden Feuerstellen aufgestellt und bestrahlten mit ihren Flammen die Arbeiten am Tempel mit fast taghellem Licht. Die tief hängenden Qualmwolken schimmerten rötlich im Widerschein.
    Fiebrig beschreibt Cheftus Gesichtsausdruck noch am ehesten, dachte Chloe. Dann ging ihr ein Licht auf - er hatte den Eiffelturm nie zu Gesicht bekommen -, der wurde erst achtzig Jahre, nachdem Cheftu Frankreich verlassen hatte, erbaut. Sie hatten zwar schon viele große und eindrucksvolle Bauten zu Gesicht bekommen, mit Gold überzogen oder mit Juwelen besetzt, majestätisch in ihrer Ausdehnung und Schlichtheit, doch noch nie ein so hohes Bauwerk.
    Und hoch war es eindeutig.
    Schließlich hatten sie die Ausläufer der Zeltstadt erreicht. Niemand hielt sie auf, niemand schien auch nur Notiz von ihnen zu nehmen. Wieder bemerkte Chloe fasziniert, dass sie alles verstand, was hier gesprochen wurde. Klatsch, Streitereien, Kindergeschrei, Scherze. »Stehen die Leute hier gerade auf?«, fragte sie Cheftu. Obwohl es tiefe Nacht war, benahmen sich diese Menschen, als wäre es früher Morgen.

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