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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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einen neuen Wollrock. Cheftu hatte Brot und Bier für sie besorgt.
    Sie war zu schwach, den Kopf zu heben.
    »Das ist ja ein Wohnhaus«, stellte sie verwundert fest, als er ihr erklärt hatte, wo sie sich befanden. »Die Wohlhabenden dürfen drinnen wohnen, die Habenichtse müssen draußen bleiben?«
    »Hier ist es ganz anders«, sagte er. Seine Stimme klang weniger fest, als Chloe es gewohnt war.
    »Jedenfalls ist es ganz schön luxuriös hier. Was macht dir solche Sorgen?«
    Lächelnd tätschelte er ihre gefalteten Hände. »Jetzt, wo du wieder gesund bist, nichts.«
    »Woher kommt das Essen?«
    Er wich ihrem Blick aus. »Ich habe es getauscht.«
    »Womit? Soweit ich mich entsinne, besitzen wir nichts mehr.«
    Er schnaubte. »Ich muss los, zur Arbeit.«
    »Was arbeitest du?«
    Nach einem Kuss auf ihre Wange war er verschwunden.
    Und Chloe blieb zurück, verwirrt, aber zu erleichtert, um der Sache nachzugehen.
    Ein paar Tage später war sie wieder auf den Beinen und wohlauf. Beträchtlich dünner - ein Großteil dessen, was sie verloren hatte, waren Muskeln des ohnehin mageren Marschmädchens gewesen. Was draußen vorging, war unmöglich festzustellen; allmählich bekam sie in ihrem Zimmer Platzangst. Sie bettelte Cheftu an, sie mit nach draußen oder mit zu seiner Arbeit zu nehmen.
    Schließlich stiegen sie von ihren Räumen aus zwanzig Stockwerke hinauf, bis sie eine Öffnung nach draußen erreichten. Chloe kämpfte einen Schwindelanfall nieder. Von hier oben konnte sie ganz Bab-ili und einen großen Teil der Ebene überblicken. Der Wind drohte sie beide mitzureißen, darum hielt Cheftu sie an der Taille fest, während sie sich umsahen.
    »Das kann unmöglich der Irak sein«, staunte sie. »Sieh dir das nur an.«
    Grün, ein blauer Fluss, noch mehr Grün. An den Rändern des Grüns entdeckte sie einen Silberstreif, bevor die Wüste begann. Vor allem jedoch Grün. »Dreh dich um«, sagte er.
    »O nein.«
    Schlagartig wurde ihr alles klar. Wie sich der Irak in eine unfruchtbare Wüstenei verwandelt hatte. Ein ganzer Palmenwald war niedergeschlagen worden, denn das leichte Holz eignete sich hervorragend für Ziegelmodel, Baugerüste, als Feuerholz, für Webstühle, Pfeile. Aus der Borke ließen sich Schuhe, Bodenbeläge, Dachschindeln herstellen oder man konnte sie in
    Fasern für Seile, Sohlen und Garne aufspalten. An den Außenrändern der nördlichen und östlichen Zeltstadt erhob sich eine weitere Stadt. Eine Holzfällerstadt.
    Von hier oben aus sahen die Palmstämme aus wie Zahnstocher, trotzdem konnte Chloe erkennen, wie der Boden erodierte, sobald die Wurzeln der Bäume ihn nicht mehr hielten. »Was ist das Silberne?«, fragte sie.
    »Salz.«
    Zum Glück wehte der Wind die Ölqualmwolke in die andere Richtung, auch wenn Chloe wusste, dass sie irgendwann zurückkehren würde - in wenigen Wochen schon, nachdem sie die restliche Welt verdunkelt hatte.
    Zu Tausenden arbeiteten die Menschen an dem Bauwerk, in Zelten wohnend oder unter freiem Himmel schlafend. Taumelnd eilten sie umher. Chloe kamen die Tränen. »Hier können wir nicht bleiben, Cheftu. Es gibt hier nicht genug Platz für alle. Selbst wenn der Bau fertig ist, werden nicht alle Menschen hineinpassen.«
    »Das ist auch gar nicht beabsichtigt«, sagte er. Seine Stimme klang rau. »Du willst das gar nicht wissen, Chérie. Glaub mir.«
    »Was sollen wir hier? Wohin können wir fliehen?«
    »Ich muss eine Zeit lang hier arbeiten«, antwortete er. »Das ist Teil meiner Übereinkunft.«
    »Und was tust du?«
    »Mach dir keine Gedanken«, war seine Antwort. »Alles wird gut.«
    Aber es klang wenig überzeugend.
    »Guten Morgen, Cheftu«, begrüßte ihn sein Aufseher.
    »Ist es heute noch schlimmer geworden?«, fragte er.
    »Fünfzehn weitere Fälle.«
    Cheftu war klar, dass nur solche Leute »zählten«, die es sich leisten konnten, einen Platz im Schatten eines Palmbaumes zu bezahlen. Die anderen starben einfach so, ungezählt. Schlimmer noch, ihre Leichen wurden einfach verscharrt, und zwar in einer Richtung, in die Cheftu Chloe nicht hatte schauen lassen. Der beißende Gestank der Massengräber wehte zwar von der Esagila weg, doch Cheftu hatte ihn gerochen.
    Er folgte dem Asu hinaus in die stinkende Hitze. Es gab so vieles, was er absichtlich übersah - er konzentrierte sich ausschließlich auf die Augen.
    Irgendeine unbekannte Krankheit hatte die Reichen befallen, sie wuchs ausschließlich in ihren Kindern, und sie erblühte in ihren Augen zu

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