Die Händlerin von Babylon
andernfalls einen Geliebten. Was von beidem war ihr gleichgültig, aber sie langweilte sich. Ihre Schwiegermutter ließ nicht zu, dass sie als Frau des Sohnes des Lugal in der Weberei arbeitete. Lea konnte aber nichts als weben, und ihr fehlten die Frauen, mit denen sie früher zusammengearbeitet hatte - bevor
Nimrod sie erspäht und sie in seine Gemächer verschleppt hatte, wo er sie über honiggetränkte Tage hinweg verführt hatte, bis ihr Widerstand endgültig gebrochen war. Wenig später hatte sein Vater festgestellt, dass ihr Vater kein Geld besaß, woraufhin die Familienfehde ihren Lauf genommen hatte. Doch da Nimrod sie bereits zur Frau genommen hatte, war nicht mehr viel zu machen.
Der Mann hatte eine Schwäche für blondes Haar; Pazuzu sei Dank, dass es nicht allzu viele Blondinen in der Stadt gab, sonst würde sie wahrscheinlich um eine ganze Schar von Liebhabern und einen ganzen Stall voll Kinder bitten. Lea kippte den Rest des Trankopfers hinunter und vergrub ihren Kopf unter dem Kissen. Sie hasste Neujahr.
Ezzi hatte sich gerade ins Bett gelegt, als die Trommeln einsetzten. Die Sterne waren bereits untergegangen, und er hatte seine letzten, sorgfältigen Beobachtungen niedergeschrieben. Der neue Stern hatte nichts verändert. Er schien ganz für sich allein zu stehen, ohne an den Wanderungen der übrigen Himmelsherden teilzunehmen. Vielleicht würde man es Ezzi überlassen, den sechsundzwanzigsten Stern zu benennen. Seine Gedanken kreisten ausschließlich um jenen ruhmreichen Tag.
Die Trommeln dröhnten weiter; heute würde ihn dieser Ruhm wohl nicht ereilen.
Unten kam Ulu eben zur Haustür herein. Zu viel Bier und drei verschiedene Freier hatten ihr einen phantastischen, wenn auch schon wieder halb vergessenen Tag beschert. In den nächsten Stunden würden die Trommeln nicht allzu freudig erschallen. Eigentlich ergab es keinen Sinn, dass die Götter einerseits die gesamte Welt in eine unbeschriebene Tontafel verwandelten, weil sie ihnen zu laut war, und andererseits verlangten, dass an Neujahr Krach gemacht werden sollte, aber wer war Ulu schon, das zu hinterfragen. Wie Ezzi ihr nur zu gern vorhielt, war sie nur eine Hure.
Eine Prostituierte. Eine gut bezahlte, gut ausgestattete, talentierte Begleiterin.
Sie rülpste.
Eine Hure, die sich nach ihrem Nachttopf und ein paar stillen Stunden zum Ausschlafen sehnte. »Obwohl ich wahrscheinlich in die Marsch auswandern müsste, um Ruhe zu finden«, nörgelte sie, während sie durch den Hof schlurfte und die Treppe zu ihrer Wohnung erstieg. Ezzis Tür war verrammelt; kein Licht schien durch die Ritzen. Sie suchte das Dach nach der Silhouette ihres Sohnes ab, doch er war nicht zu sehen.
Natürlich war die Morgendämmerung bereits verstrichen, darum war er inzwischen wohl fertig mit seinen Sternen.
Ulu rülpste erneut, zog die Tür zu ihrer Wohnung auf und schlug sie hinter sich zu.
Guli bediente bereits seine ersten beiden Kundinnen. Dank Ulus Propaganda und ein paar Mina Gerste zusätzlich war er wieder im Geschäft. Bereits in aller Frühe gaben sich Prostituierte aus allen vier Ecken der Stadt ein Stelldichein in seinem Geschäft. Heute hatten sie Hochbetrieb, bevor die männliche Bevölkerung endgültig im Rausch versackte und die Tempel-priesterinnen - oder Tempelhuren, wie seine Kundinnen sie nannten - auf ihre Kundschaft »losgelassen« wurden.
Dies war ein Festtag für jede Prostituierte.
Eine ließ sich das Haar glätten; die Nächste ließ es schneiden; eine ließ sich den gesamten Körper wachsen - überhaupt kein Haar mehr? Das letzte Mädchen wollte sich zum Rotschopf verwandeln und zwar mit ... passender Ausstattung. Guli mischte die Tönung an und hoffte bei Inana, dass sie ihm reichen möge, denn es handelte sich um eine ausgesprochen breite Braut. Er bedauerte jeden Mann, der ihr den Lohn vorenthalten wollte; sie würde ihn mit bloßen Händen entzweibrechen.
»Majestätischster!«, begrüßten sie ihn. Shama neigte den Kopf und nahm die doppelt gehörnte Krone der Ensi entgegen. Die Trommeln grollten in seinem Magen, während er an die mit Kupfer beschlagenen Tore klopfte.
»Sie, die blond ist wie Inana, stark wie Sin und die Geliebte des Hofes«, sangen sie. »Erwache und begrüße das neue Jahr, das dir als Brautgabe geschenkt wurde.«
Nackt und mit Gold bemalt öffnete Puabi die Tür. Shama ließ sich auf ein Knie nieder und bot die ihr gebührende Krone dar. Denn Puabi, eine Enkelin Ziusudras und die angesehenste Frau von
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