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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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unvermittelt, wie er begonnen hatte, hörte der Lärm auch wieder auf. Die Menschen gingen ungerührt weiter, auch wenn viele ihre Ohren berührten. Chloe hatte gerade mal fünf Schritte zurückgelegt, als das Dröhnen erneut einsetzte.
    Ein Erdbeben? Der Zorn der Götter? Sie sah zum Himmel auf, der sich blau und wolkenlos über ihnen wölbte. Wieder verstummte das Geräusch.
    »Keine Angst«, rief ihr ein Mann zu. »Das sind nur die Trommeln, die für Neujahr üben.«
    Kaum hatte er das ausgesprochen, da erklangen die Trommeln wieder. Der Lärm schien ihr Brustbein zu sprengen und schmerzte in den Zähnen. Gehetzt lief Chloe die Hauptstraße hinunter und bog in den Krummen Weg ein.
    Die Tür zu Ningals Haus dämpfte den Lärm ein wenig, und die Tür zu ihrem Zimmer noch mehr. Das Wasser im Becken war noch lauwarm, darum wusch sie sich erst das Gesicht mit einem Leintuch und schrubbte sich anschließend den Schafsgeruch von den Händen. Am liebsten hätte sie sich im Bett unter den neuen, schönen Decken zusammengerollt und von dem Gott mit den goldenen Augen geträumt.
    Cheftu.
    In ihren Träumen sprach er mit ihr, berührte sie, entflammte mit seinen Küssen ihr Innerstes. In ihren Träumen gab es keine unbekannten Worte, keine Ausdrücke, die sich ihr verschlossen. Oder ihm.
    In ihren Träumen war sie die perfekte Lebensgefährtin für ihn. Der Mond zu seiner Sonne, die Nacht zu seinem Tag. Er war des Gott des Heilens, sie die Göttin des Krieges; er war der Lehrer des Verständnisses; sie die Verbreiterin des Wissens; er machte Worte aus Bildern, sie zu Worten Bilder.
    In ihren Träumen.
    Stattdessen glättete sie sich das Haar mit Öl, zog die Schärpe um ihr Kleid gerade, legte die Armreifen an und ging wieder aus. Schließlich musste sie heute noch einen Lugal in die Ecke treiben.
    Nimrod erwartete sie auf der Treppe, die zu den Amtsräumen des Gemeinwesens führte. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll«, sagte sie. »Ich konnte kaum glauben -«
    »Übergib dich einfach nicht. Und mach dir nichts draus, wenn er zu brüllen anfängt.«
    »Wird er brüllen?«
    Nimrod kratzte sich den ungezähmten, zotteligen Bart. »Wenn er begreift, dass er in der Falle sitzt, wird er garantiert brüllen.«
    Chloe betrat als Erste die Amtsstube.
    »Du kleine Hündin -«, grummelte der Schreiber.
    Nimrod trat nach ihr ein, baute sich wie ein haariger, schnaufender Bär hinter ihr auf und schnitt dem Schreiber das Wort ab. »Ist mein Vater, der Lugal, da?«
    »Seine Tür ist geschlossen«, krächzte der Schreiber hervor. »Herr.«
    »Gut.« Damit nahm Nimrod Chloe am Arm und marschierte an dem Schreiber vorbei. Nach kurzem Klopfen öffnete er die Tür.
    »Was soll das? En-«
    »Vater, ich glaube, du bist Chloe schon begegnet.«
    O ja, der war er allerdings begegnet. Er begann aufzuzählen, wie und warum und wann. Laut.
    Sie schaltete ihre Ohren einfach auf Durchzug. Ganz offenbar tat Nimrod das auch. Als der Lugal schließlich zu brüllen aufhörte und sich wieder in seinen Stuhl fallen ließ, stellte Nimrod sie noch einmal vor. Die Miene, mit der der Lugal seinen Sohn betrachtete, wirkte nicht gerade freundlich, doch das schien Nimrod nicht zu kümmern. »Du wolltest das Tier in seinem Bau zur Strecke bringen«, sagte Nimrod zu ihr. »Du hast fünfzehn Minuten Zeit. Ich warte so lange draußen.«
    Minuten. Der Begriff bedeutete übersetzt genau 15 sechzig-Sekunden-Intervalle oder das Viertel einer Stunde oder das Achtel einer Doppelstunde. Diese Menschen kennen Minuten, rätselte etwas in ihrem Kopf. Wer sind sie? Wer bin ich? Wo zum Teufel bin ich hier gelandet?
    Der Lugal war ein groß gewachsener Mann, gut aussehend und korrekt auf eine Weise, wie es Nimrod ganz eindeutig nicht war. Er zog seinen Alten-Knaben-Umhang gerade. »Was willst du von mir, Weib? Wieso fängt mich mein eigener Sohn in meiner Amtsstube ein?«
    »Ich möchte das Haus der Tafel besuchen.«
    Er blinzelte.
    »Frauen gehen dort nicht hin, hat man mir gesagt«, erklärte sie. »Doch das bedeutet nicht, dass sie es nicht können. Oder dass ich es nicht kann, genauer gesagt. Ich möchte lesen und schreiben lernen. Ich bin ein Mensch, und es ist mein Ent-schluss, dass ich lernen möchte, doch ich brauche deine Erlaubnis dazu. Jedenfalls hat Richter Ningal mir das so erklärt.«
    Der Lugal trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Dies ist kein guter Zeitpunkt für eine solche Bitte.«
    »Ich habe mich auf euch erbrochen - wofür ich übrigens um

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