Die Häupter meiner Lieben
Tagen kam Mario aus dem Krankenhaus, mußte aber bis auf weiteres seinen kranken Arm schonen; an Autofahren war nicht zu denken.
Cora hatte sich eine Grippe zugezogen. »Ich will heim, ich muß endlich wieder malen«, sagte sie, »das Nichtstun bekommt mir nicht.«
»Na, was gibt es diesmal für eine Serie?« fragte ich halb scherzhaft, halb ängstlich.
»Wie wäre es mit Variationen über >Die nackte Maja<«, sagte sie ernsthaft, »klassische Zitate in modernen Bildern reizen mich, wie du weißt. Und die Judith-Serie ist abgeschlossen.«
Wir entschieden, daß Mario mit meinem Ticket flog, gemeinsam mit der fiebrigen Cora. Ich sollte mit Emilia den Wagen heimbringen. Was blieb mir anderes übrig? Die Autoreisezüge fuhren nicht im Winter. Emilia riet mir: »Laß das Schätzchen mit Cora fliegen, die Autofahrt ist sehr anstrengend.«
Doch obwohl mir tatsächlich vor der langen Reise graute, wollte ich mein Kind auf keinen Fall auch nur einen Tag allein lassen. Ich brachte Mario und Cora zum Flugplatz. Zu meiner großen Verwunderung benahm sie sich wie eine Glucke. »Fahrt vorsichtig! Du bist nervös, seit deiner Bekanntschaft mit Dante! Nehmt auf keinen Fall einen Anhalter mit! Hier ist Geld, nein, es ist nicht zuviel. Mir ist es lieber, wenn ihr einmal mehr übernachtet und...«
Wir umarmten uns. Emilia und Mario hatten schon im Hotel liebevoll Abschied genommen, obgleich wir uns alle in wenigen Tagen wiedersehen würden.
Am nächsten Tag starteten wir, um die Fähre von Messina nach Reggio di Calabria zu nehmen. Ich fuhr, Emilia saß mit Béla und Pippo hinten. Zwar besaß sie nun den Führerschein und war keine unbegabte Anfängerin, aber sie ermüdete rasch und konnte nie länger als eine halbe Stunde am Steuer sitzen. Um fünf wurde es dunkel, länger wollten wir nicht fahren. In einem nicht allzu feinen Hotel machten wir halt, nahmen uns ein Doppelzimmer und gingen essen. Abends legten wir uns früh zu Bett, denn wir hatten nicht vor, auszugehen und Béla in Pippos Obhut zu lassen.
»Ach Emilia, wahrscheinlich entwickle ich mich zur überbesorgten Mutter... Das ist sicher nicht richtig!«
»Nach so einem Schock ist es normal«, tröstete mich Emilia, »uns allen sitzt der Schrecken in den Gliedern.«
In jener Nacht schlug man ein Seitenfenster des Cadillacs ein. Viel wurde nicht gestohlen, denn wir hatten die Koffer mit ins Zimmer genommen. Eine Wolldecke fehlte, mein kleiner Fotoapparat und Emilias geflochtene Einkaufstasche mit Lebensmitteln. In der Werkstatt sagte man, daß ein passendes Seitenfenster für den amerikanischen Wagen aus Rom bestellt werden müsse. »Und wie lange dauert das?« fragte ich.
»Man wird sehen, höchstens drei Tage.«
Ich rief Cora an. »Was sollen wir machen? Drei Tage warten oder den Wagen hierlassen und mit der Bahn fahren? Ich müßte dann noch einmal herkommen und das Auto abholen.«
»Wenn es nicht allzu mies und triste in eurem Hotel ist, dann bleibt die drei Tage dort«, sagte sie, »ohne Fenster könnt ihr bei diesem Wetter nicht fahren. Übrigens hat Jonas angerufen - ich habe ihm dummerweise von Bélas Entführung erzählt. Leider hat er sich schrecklich aufgeregt, ich sage dir das zur Warnung!«
»Ach Cora, das hättest du nicht tun sollen...«
»Ja, ich weiß, aber nun ist es passiert. Also bleibt im Hotel und langweilt euch; ich bin sehr beschäftigt, habe gerade ein neues Bild begonnen. Übrigens hat Mario die Terrasse vorzüglich hingekriegt; sag' mir keiner, Don läge unter einem freudlosen Pflaster! Ich bin ganz entzückt, im Frühling werden wir diesen Platz richtig zu schätzen wissen.«
Emilia riß mir den Hörer weg. »Ist Mario bei dir?«
»Nein, ich habe am Flugplatz ein Taxi genommen und ihn vor seinem Haus abgesetzt. Im Augenblick darf er nicht arbeiten, er soll sich schonen. Braucht ihr Geld für die Autoreparatur?«
Am nächsten Tag - wir langweilten uns wirklich sehr in unserem häßlichen Zimmer, draußen regnete es - überbrachte uns der Werkstattchef die Hiobsbotschaft, daß die bestellte Fensterscheibe erst in einer Woche zu erwarten sei, denn sie sei auch in Rom nicht vorrätig. Ich war wütend. Man könne die Scheibe auch provisorisch verschließen, sagte der Mann, es sei ja zum Glück nur das Seitenfenster. Ich willigte ein, und wir bekamen eine Plastikplane vor das Fenster geklebt, die Regen und Wind abhielt. Ich verzichtete auf die Reparatur und wollte den Schaden erst in Florenz beheben lassen.
Wieder rief ich Cora an,
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