Die Haie vom Lotus-Garten
ein
Kommissar am Apparat. Hier!“ Mia flüsterte, aber nicht leise genug. Und damit
er verstand, hätte sie ihn anbrüllen müssen.
„Was ist, Schätzlein?“ Er
gähnte herzhaft.
„Ein Kommissar ist am Apparat,
Herr Dr. Schneider“, rief sie und schob ihm das Handy zurecht.
„Ein... was...?“ Er war
tatsächlich benommen.
„Einer von der Kripo, Herr Dr.
Schneider.“
„Was will er? Ein Darlehen?
Dann soll er doch morgen zu den Schalterstunden...“
„Es ist kriminalistisch“, rief
sie. „Können Sie mit ihm sprechen?“
„Schneider“, ächzte der alte
Herr dann ins Telefon, und Tim fühlte sich furchtbar schuldig wegen dieser
Schlafunterbrechung, die er dem Bankier zufügen mußte.
„Hier Kommissar Jochendorf,
Herr Dr. Schneider. Wir haben noch nicht miteinander geredet. Ich befasse mich
auch mehr mit den Zuständigkeiten im elften Dezernat. Sie verstehen?!
Jedenfalls sind im Verlauf der Ermittlungen Hinweise aufgetaucht, die sich auf
eine einzige Frage zuspitzen. Nämlich auf die: Wieviele Ihrer Kunden, die auch
ein Schließfach gemietet haben, sind chinesischen Ursprungs?“
„Wie bitte?“ Er gähnte
abermals.
„Haben Sie Chinesen als
Bankkunden?“
„Äh... nein, ich glaube nicht.“
„Sind Sie sicher?“
„Ich glaube, ich bin sicher.“
Himmel! Die Schlaftabletten!
Tim fluchte lautlos. Und dazu auch noch Rotwein!
„Sie haben“, fragte er
abermals, „keinen Chinesen als Bankkunden?“
„Nein.“
„Ist denn sowas möglich?
Deutschland steht doch allen Völkern der Welt offen als soziales Sammelbecken.
Wir sind doch stolz auf unser multikulturelles Gedankengut. Fremdländisches
befruchtet Alteingesessenes. Und Blutauffrischungen sind immer gut. Das hat
schon die dekadentesten Adelssippen vor der totalen Senilität bewahrt. Wieso
bleibt da das Bankhaus außen vor? Wie können Sie Ihr Institut überhaupt führen
ohne chinesische Kreditnehmer?“
„Äh... oh, ich bin müde!“
„Einen Moment noch, Herr Dr.
Schneider. Mir kommt eine Idee. In unserer Millionenstadt wird gern fernöstlich
gegessen. China-Restaurants sind beliebt. Die stehen aber zum Teil unter
deutscher Leitung. Die Chinesen dürfen nur kellnern und am Chinesischen Ofen
die Entenbrüstchen bruzzeln. Ist vielleicht ein China-Restaurant Ihr Kunde?“
„Äh, ja. Aber das ist doch der
Herr Grünert. Und der Herr Ti begleitet ihn nur. Das Geschäftskonto läuft auf
Herrn Grünert.“
„Interessiert mich“, erklärte
Tim. „Wie heißt der La... das Restaurant?“
„Lokus-Garten.“
„Was? Lokus...“
„Nein, ich meine Lotus!
Entschuldigung! Lotus wie die Blume. Lotus-Garten.“
Tim notierte in Gedanken und
fragte: „Gehört also einem Herrn Grünert?“
„Günther Grünert, ja. Er macht
gute Umsätze. Ist der Besitzer, glaube ich. Oder Pächter. Auf jeden Fall der
Geschäftsführer. Herr Blazen und Herr Ti, der Chinese, sind seine Teilhaber. So
habe ich das verstanden.“
„Und Herr Grünert hat auch ein
Schließfach bei Ihnen?“
„Hat er. Es wurde aufgebrochen.
Leider. Morgen werde ich die betroffenen Kunden benachrichtigen. Heute hatte
ich dazu nicht die Nerven. Außerdem soll man den Sonntag heiligen. Vor allem im
Advent.“
„Sie sagen es. Sonst haben Sie
keinen China-Restaurant-Kunden?“
„Nein.“
„Besten Dank für die Auskunft.
Nochmals Entschuldigung für die Störung. Eine Empfehlung an die Frau... äh...
an die Haushälterin! Gute Nacht!“
Tim legte auf.
Karl und Klößchen kamen mit
fragendem Blick in allen vier Augen die Treppe herunter.
„Wir haben was!“ Tim machte
drei Luftsprünge. „Eine heiße Spur!“
18. Alles wie vorher
Beate und Michi froren. Der
Motor des Kastenwagens war ausgeschaltet. Kälte kroch durch die Löcher in den
Roststellen herein. Außerdem machte die Aufregung klamme Finger und verhinderte
die Durchblutung von Zehen und Nasenspitze.
Gebannt blickten beide zum
China-Restaurant. Seit einer Weile hatte niemand den LOTUS-GARTEN verlassen.
Nach Gotti war niemand mehr hineingegangen. Denn selbst für Spätesser, was
bekanntlich wegen Magenfülle den Träumen einen Horrorkick gibt, war nun der
Abend zu weit vorgerückt.
„209 000 weniger ungefähr 80
000 macht“, überlegte Michi laut. „Ja, 129 000.“
„Ungefähr“, nickte Beate. „Und
das läßt sich hören,
wie?“
„Solange ich lebe, werde ich
dir dafür dankbar sein.“
„Nicht doch! Ich helfe nun mal
gern. Außerdem ist bald Weihnachten.“
„Ich habe keinen
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