Die Hand von drüben
dem Riverside Drive stand. Der Professor öffnete die Tür mit seinem Schlüssel und führte Hero eine Treppe zu seinem nach hinten gelegenen Arbeitszimmer hinauf. «Machen Sie sich’s bequem», sagte er. «Ich werde nachsehen, was im Eisschrank ist. Es müßte Bier dasein, wenn Sie das trinken mögen, und Jane stellt auch meistens etwas zu essen bereit.» Er grinste plötzlich. «Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen ist, aber das, was die Bessmers anbieten, reicht für mich nicht aus.»
Es war das erste Mal, daß Constable das Paar mit Namen genannt hatte, und Hero war über den lässigen und sogar ein wenig spöttischen Ton überrascht. «In der Dose dort sind Zigaretten», sagte der Wissenschaftler, «und in der anderen Zigarren. Bedienen Sie sich bitte, ich bin gleich wieder da.»
Hero hörte ihn zur Küche und Anrichte hinuntergehen und wandte seine Aufmerksamkeit dem Arbeitszimmer zu. Es war ein ziemlich großer Raum, der die ganze Breite des Hauses einnahm und auf dessen einer Seite vom Boden bis zur Decke reichende Regale voller Bücher standen. Es war geschmackvoll eingerichtet. Ein großer frühamerikanischer Schreibtisch ohne Aufsatz, ein paar antike Kommoden, mehrere tiefe Ledersessel, eine Ledercouch, zwei Stahlaktenschränke standen darin. An den Wänden hingen zwei Bilder von Henri Lebasque und eins von Grandma Moses. Neben dem Schreibtisch sah man ein Piedestal und darauf einen Glaskasten aus Ebenholz. In dem Kasten lag auf schwarzem Samt der vollkommene Wachsabguß der Hand eines Mädchens, die Handfläche nach oben gekehrt und die Finger in einer seltsam rührenden flehenden Geste gekrümmt.
Der Engländer hätte viel darum gegeben, sie genauer betrachten zu können, wagte es aber nicht, denn er konnte nicht wissen, wie lange Constable wegbleiben würde, und durfte nicht dabei ertappt werden, daß er ein ungewöhnliches Interesse zeigte, da er angeblich nichts von ihrer Existenz, oder was sie sein sollte, wußte. Statt dessen ging er herum und betrachtete die Bilder, den Schnickschnack, der zur Welt eines Mannes gehört, darunter die üblichen Fotos von Promotionen, mit Constable darauf, der die Diplome überreichte. Und eines sogar, das, wie er erkennen konnte, in Cambridge aufgenommen worden war.
Wie Hero wußte, war die Kybernetik noch eine so neue Wissenschaft, daß es wenig Spezialliteratur darüber gab und sie mehr durch ihre physiologischen und mechanischen Komponenten vertreten wurde. Es waren da Bücher über Anatomie und eine Anzahl von Abhandlungen über die Nervensysteme von Tieren und Menschen ebenso wie die neuesten Publikationen über Elektronik, Rechenmaschinen, Servosysteme und Automation. Auch ein Buch über Kybernetik war darunter, das ein Mathematiker, Norbert Wiener, 1948 veröffentlicht hatte, und Hero mußte über die Übereinstimmung der Namen lächeln und fragte sich, was der FBI-Wiener zu seinem schnellen Eindringen in Constables Festung sagen würde. Im übrigen enthielt die Bibliothek die verschiedensten literarischen Werke von Klassikern bis zu Theaterstücken, Lyrik und modernen Romanen. Zu der wissenschaftlichen Abteilung zurückkehrend, überlegte Hero, wie bescheiden sein eigenes Wissen über dieses Gebiet war, und er fragte sich, ob er nicht manches vernachlässigt habe, das sich auf irgendeine Art vielleicht für seinen eigenen seltsamen Beruf verwenden ließe.
Ein vertrauter Name in goldenen Lettern auf einem grünen Buchrücken fiel ihm ins Auge: S. H. Constable, und er zog das Buch heraus und schlug die Titelseite auf: «Die Maschine, Herr oder Diener? Eine Studie über die Kommunikation mit dem Unbeseelten von Samuel Haie Constable, Professor für Maschinenbau an der Columbia-Universität.» Es folgte dann eine gewaltige Reihe von Titeln. Die Publikation stammte aus dem Jahr 1959. Hero blätterte sie durch und sah sich einem Chaos von Gleichungen und Diagrammen gegenüber, von denen die meisten ihm auf den ersten Blick unverständlich waren, aber die zwei oder drei Absätze des Textes, die er las, verrieten einen klaren Stil. Es war wahrscheinlich noch nie jemand auf diesem Wissensgebiet so weit vorgedrungen wie Constable, zumindest hatte Hero noch von niemandem gehört.
Der Beginn eines Kapitels über die Mängel von elektronischen Rechenautomaten faszinierte Hero so sehr, daß er Constable erst zurückkommen hörte, als dieser mit einem Tablett, mit vier Flaschen hellen Lagerbiers, Gläsern und einem mit einer feuchten Serviette bedeckten Teller darauf,
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