Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
tief in die Taschen seines leichten Überziehers gesteckt, und während er dahinschritt, dachte er angestrengt nach.
    Er war noch nicht weit gegangen, als er Schritte hinter sich hörte. Er lauschte auf ihren Rhythmus und stellte fest, daß der Betreffende sehr schnell ging. Er versuchte daraufhin, selber schneller zu gehen, und die Schritte hinter ihm beschleunigten sofort ebenfalls ihr Tempo. Zweifellos versuchte jemand ihn einzuholen. Wer mochte das sein?
    Die Straße war hell beleuchtet. Auf der anderen Seite gingen Passanten in beiden Richtungen, und Hero hielt es für ausgeschlossen, daß man ihn überfallen könnte. Es lag ihm nichts daran, von jemandem angesprochen zu werden, aber wenn er nicht lief, konnte er seinem Verfolger kaum entkommen, und so ging er ein wenig langsamer, damit der andere ihn erreichen konnte.
    «Ach, Fairweather», sagte Professor Constable. «Ich sehe, Sie gehen den gleichen Weg wie ich.»

Achtes Kapitel

    Es war qualvoll für Hero, sich in Fairweather zurückzuverwandeln. Dieser sentimentale Schwächling war ihm geradezu verhaßt geworden, und er hatte ihn erleichtert abgeschüttelt, als er auf die Straße kam. Und nun mußte er ihn hastig mit all seinen Erinnerungen zurückrufen und konnte nur hoffen, daß das Lügengewebe, in das er sich gekleidet hatte, nicht zu durchsichtig wurde. Er war sich auch bewußt, daß es etwas anderes war, einem ungebildeten Paar vorzuspielen, er sei ein Cambridger Dozent, als einem Mann wie Constable den gleichen Sand in die Augen zu streuen.
    Als sie nebeneinander weitergingen, sagte Constable: «Woodmanston hat mir berichtet, Sie läsen in Cambridge. Worüber?»
    Hero war jetzt dankbar dafür, daß man so klug gewesen war, ihm diese Tarnung zu empfehlen. Er hatte vor einem Jahrzehnt vier Jahre im Kings College verbracht und hatte dort seine Nase in die verschiedensten Wissensgebiete gesteckt. Zehn Jahre zählen, aber wenig verändert sich in einer großen Universität, und irgendwie bleibt man auf dem laufenden. «Angewandte Psychologie», antwortete Hero, und dann fügte er hinzu: «Im Churchill College — wir sind die Parvenüs.»
    Hero hatte schnell überlegt: Das Churchill College war erst i960 gegründet worden. Wenn Constable in Cambridge gewesen war, dann bestimmt nicht in den letzten Jahren.
    «In welchem College waren Sie?» fragte Constable.
    «Im Kings», erwiderte Fairweather. Hero war jetzt auf festem Boden, denn das kannte er in- und auswendig.
    «Was macht der alte Underhill?» fragte Constable.
    «Er ist emeritiert», antwortete Fairweather. «Er macht in den Zeitungen seinem Ärger immer wieder Luft.»
    «Er war vor etwa dreißig Jahren mein Tutor in Hydrodynamik. Er muß jetzt über achtzig sein. Er war immer ein bißchen verrückt, wissen Sie.»
    «Genau das hat Professor Heisinger in seiner Besprechung von Underhills Buch gesagt», sagte Fairweather. «Sie beschimpfen sich augenblicklich gegenseitig in der . Alle hoffen, daß sie sich coram publico auseinandersetzen werden.»
    Constable lachte, und das Lachen klang wie das eines Mannes, in dem keine unangenehmen Erinnerungen geweckt worden sind. Er plauderte weiter liebenswürdig über Orte und Menschen, die er während seiner Studienzeit in Cambridge gekannt hatte, als sie die Amsterdam Avenue überquerten und zur Ecke des Broadway weitergingen. Dort blieben sie einen Augenblick verlegen stehen wie zwei Menschen, die nicht wissen, wie sie sich voneinander verabschieden sollen, die es eigentlich gar nicht möchten, aber, weil sie sich fremd sind, die Kluft nicht zu überbrücken vermögen.
    Constable warf Fairweather wieder einen seiner seltsamen durchdringenden Blicke zu, und nach kurzem Zögern sagte er: «Wie ich gehört habe, hatten Sie heute abend... einen Kontakt.»
    Hero war jetzt sicher, daß Constable ihm absichtlich nachgegangen war und mit ihm sprechen wollte. Die Gelegenheit war zu günstig, als daß man sie sich entgehen lassen durfte. «Wenn Sie meinen, daß jemand dort war... ja», antwortete er. «Ich bin dessen fast sicher. Ich habe noch nie zuvor dergleichen erlebt...»
    «Würden Sie vielleicht noch etwas bei mir trinken?» sagte Constable. «Ich wohne nicht sehr weit von hier. Es würde mich sehr freuen, wenn...»
    «Oh, das ist sehr liebenswürdig», sagte Peter Fairweather. «Gern.»
    Constable rief ein Taxi heran, und sie fuhren stumm zur 113. Street und einem schmalen dreistöckigen Haus aus weißen Steinen mit Erkern, das zwischen dem Broadway und

Weitere Kostenlose Bücher