Die Hebamme
obersten Schublade ein Schriftstück.
Nachdem Malvine es überflogen hatte, gab sie es ihr zurück.
»Sie hat Ihnen ihr Haus überlassen.« Sie trat vor, ergriff Gesas Hände und ließ sie in plötzlicher Hast wieder los. »Suchen Sie mich recht bald auf«, sagte sie. »Sofern Sie sich entschieden haben.«
Später dann öffnete Gesa das Fenster und sah zu, wie der Musselin sich ins Zimmer blähte. Aus den anderen Häusern fiel Licht in die Hofstatt, warm, wohl von Kerzenleuchtern oder Kaminen. Jedenfalls konnte sie Clemens gut sehen.
Draußen trieben Schneeflocken an ihr vorüber, und fast war es, als schob ein leichter Wind sie in seine Arme.
»Wirst du gehen?«, flüsterte er, und dabei streiften bereits seine Lippen die ihren.
»Aber ja«, sagte sie, »zu jeder Tages- und Nachtzeit.«
Epilog
Man setzte alles daran, den Hausierer Konrad zu finden, der – wie eine intensive Befragung des Anatomiedieners ergab – als Mörder der Gottschalkin zu vermuten war, sicher jedoch als der seines riesenwüchsigen Bruders Frieder.
Im Rat der Stadt beschloss man, aus dem abscheulichen Geschehen eine Lehre zu ziehen und die obrigkeitlichen Verfügungen zur Abgabe von Leichen im Interesse der Bürger einer Prüfung zu unterziehen.
Des Hausierers wurde man in einem der umliegenden Dörfer habhaft, noch bevor endlich der Schnee zu schmelzen begann. In seinem Karren fand man bei den Lumpen das blaue Wollkleid Elgin Gottschalks, ihren rot gefütterten Kapuzenmantel und einen alten Hebammenkoffer. Letzteren behauptete der Mann im vergangenen Sommer auf dem Pilgerweg gefunden zu haben. Dem ehrlosen Menschen würde kein Wort zu glauben sein. Sein baldiger Tod am Galgen galt als sicher.
Die Anatomie hatte bereits bei der Stadt die Auslieferung seiner Leiche beantragt. Derzeit beklagte man einen empfindlichen Mangel an männlichen Körpern.
Literaturauswahl
Marita Metz-Becker: Der verwaltete Körper. Die Medikalisierung schwangerer Frauen in den Gebärhäusern des frühen 19. Jahrhunderts. Frankfurt / N.Y. 1997
Dies.: Hebammenkunst gestern und heute. Zur Kultur des Gebärens durch drei Jahrhunderte. Marburg 1999
Eva Labouvie: Beistand in Kindsnöten. Hebammen und weibliche Kultur auf dem Land (1550-1910). Frankfurt / N.Y. 1999
Jürgen Schlumbohm, Claudia Wiesemann (Hg.): Die Entstehung der Geburtsklinik in Deutschland 1751-1850. Göttingen 2004
Hans-Christoph Seidel: Eine neue Kultur des Gebärens. Stuttgart 1998
Karin Stukenbrock: Der zerstückte Cörper. Zur Sozialgeschichte der anatomischen Sektionen in der frühen Neuzeit. Stuttgart 2001
Dank
Prof. Dr. Marita Metz-Becker, deren Monografie Der verwaltete Körper Idee-gebend und zugleich wichtigste Quelle für den Roman war. An den Ergebnissen ihrer jahrelangen Forschungsarbeit, ihrem umfassenden Wissen über die Geschichte Marburgs und des Frauenlebens im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert hat sie mich nicht nur teilhaben lassen, sondern mit allem eine nachhaltige Faszination ausgelöst.
Dr. Ulrich Hussong vom Marburger Stadtarchiv sowie
Gerhard Aumüller, Professor für Anatomie in Marburg, die mir freundliche und wertvolle Unterstützung gaben.
Dem Historiker Michael Behrendt, der mir kundige Hilfe bei der Bibliotheksrecherche leistete.
Meinen Kindern Jakob und Carlotta für ihre liebevolle Geduld, ihrem Vater Stefan Cantz für so vieles.
Christiane Krinner und Gerlinde Wolf, die mich in Freundschaft, mit erbarmungslosem Zuspruch und unverzichtbarem Rat vorantrieben.
Britta Hansen, die mir vertraute und mich dieses Buch schreiben ließ.
Barbara Raschig für ein sensibles Lektorat.
Verlagsgruppe Random House
Taschenbucherstausgabe 04/2007
Copyright © 2005 und Copyright © 2007 dieser Ausgabe by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion | Barbara Raschig
München – Zürich, Teresa Mutzenbach unter Verwendung eines Fotos von
Getty Images|Leonardo da Vinci
Herstellung | Helga Schörnig
eISBN : 978-3-641-01274-8
http://www.diana-verlag.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher