Die Heidehexe - Historischer Roman
Begrüßung.
„Sie werden gut versorgt. Ich habe dir eine kräftige Hühnersuppe gekocht, damit du wieder auf die Bein e kommst. Iss, solange sie dampft.“
Mit großem Appetit schlürfte die Enkelin die Brühe und verputzte dazu fünf Scheiben frisches Schmalzbrot.
„Nun bin ich satt und ausgeschlafen. Möchte natürlich wissen, wie es euch gelungen ist, Christian wohlbehalten aus dem Tollhaus ins Zigeunerlager zu entführen. Ich fürchtete, die Hexenjäger …“, sie schluckte und musste sich der Tränen erwehren. „Ich fürchtete, sie hätten kurzen Prozess mit ihm gemacht. Nicht im Traum wagte ich zu hoffen, dass er gerettet wurde. Wie war das möglich?“
„Bedank dich bei Barbara. Es ist allein ihr Verdienst, dass dein Jüngster am Leben blieb. Sie war durch deine Lehre gegangen und eine gute Hebamme geworden. So konnte sie sich beim Direktor des Narrenhauses darum bewerben, dein Kind zu entbinden und anschließend zu töten, was sie natürlich nicht tat. Vielmehr floh sie mit dem schreienden Säugling aus der Stadt, verfolgt von den Hexenjägern mit bissigen Metzgerhunden.“
„Barbara? Großmutter, ich verstehe nicht …“
„Kannst du auch nicht, Kindchen. Wir wollten dir und deinem lieben Bruder Victor nicht noch mehr Kummer bereiten. Haben euch verschwiegen, dass Rinaldo Barbara heiratete, nachdem sie die Armee verlassen hatte.“
Isabella war schockiert, zitterte am ganzen Körper. „Unglaublich, Großmutter, unglaublich. Ich bin enttäuscht von dir. Wie konntest du diese Ehebrecherin bei euch dulden? Sie hat Victor und mir die schönsten Jahre unseres Lebens gestohlen. Womöglich würde er noch leben, wenn sie nicht alles kaputt gemacht hätte. Du selbst hast mich vor einer Schlange gewarnt, die mein Glück zerstört. Die Schlange heißt Barbara.“
Isabella hatte sich derart in Rage geredet, dass ihr Herz wild gegen die Brust pochte, die Wangen zum Glühen brachte und Schweiß aus sämtlichen Poren trieb.
Giovanna ergriff die Hand der Enkelin, presste sie fest zusammen.
„Ist alles längst Vergangenheit. Ruht alles unterm Schnee. Jeder von uns begeht Fehler. Barbara hat ihren Fehltritt bitter bereut. Rinaldo liebt sie abgöttisch, hat ihr verziehen, zieht Victors Sohn wie sein eigenes Kind auf. Ebenso Winfried, obwohl die beiden mittlerweile selbst fünf Kinder haben.“
„Ist mir egal. Was geht’s mich an?“
„Was dich das angeht? Eine ganze Menge. Hätte Barbara nicht gerade selbst entbunden, als Christian geboren wurde, wäre dein Sohn nicht so prächtig gediehen. Sie stillte ihn mit ihrer Muttermilch.“
„Igitt. Barbara ist eine Hure. Ich werde ihr nie vergeben.“
„Vorsichtig mit den Äußerungen!“, brüllte Rinaldo, der gemeinsam mit Frau und Kindern das Zimmer betrat. Eigentlich hatte er sich auf das Wiedersehen mit der Base gefreut und um gut Wetter für Barbara bitten wollen. Nach Isabellas abfälliger Äußerung stand ihm der Sinn nicht mehr danach. Seine Zornesader auf der Stirn schwoll bedrohlich an.
„Was willst du von meinem Eheweib, du vermaledeite Hexe?“
„Rinaldo, bitte, du weißt, wie lieb ich dich habe und dass ich es gut mit dir meine. Du hättest eine bessere Frau verdient.“
„Etwa eine wie dich? Die den eigenen Bruder verführt ?“
„Ich ahnte nicht, dass Victor mein Bruder ist.“
„Trotzdem. Wer wegen einer belanglosen Affäre so lange die beleidigte Prinzessin spielt, der gehört zu recht ins Narrenhaus.“
„Eine belanglose Affäre? Immerhin ist daraus ein Sohn entstanden.“
„Und wenn schon. Wurde dein Christian etwa vom heiligen Geist gezeugt? Häh? Auf dem Sterbebett hast du’s mit seinem Vater getrieben. Und im Nebenzimmer saß Victor zwischen den Verwandten des Dahinscheidenden. Jeder wusste, was geschah. Er muss sich zu Tode geschämt haben. Geh in dich, du hast ihn auf dem Gewissen. Du allein.“
Das Bettlaken unter ihrem Kopf war nicht so weiß wie Isabella Gesicht, während Rinaldos Schimpftiraden. Raus mit euch, wollte sie befehlen, ihr Mund blieb stumm. Wie gelähmt lag sie da, starrte den Vetter mit großen Augen an. Bin ich wirklich so ein Ungeheuer? dachte sie und fühlte sich sterbenselend.
Rinaldo merkte, dass er übers Ziel hinausgeschossen war, drehte sich um und wollte das Haus verlassen. Anders Barbara. Ihr entging keineswegs, dass Isabella nicht in der Lage war, sich zu rühren. Und sie nutzte die Gunst der Stunde.
„Verzeih mir, Isabella. Bitte verzeih mir. Ich würde alles darum
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