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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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schwerelos gefühlt. Verglich sich mit den Schneeflocken, die sanft zur Erde glitten. Wie jubilierte ihr Inneres, als sie auf die Kutsche mit den vier Araberhengsten ihrer Großmutter zuschlitterte. Richard Sander sprang h eraus, umarmte sie so fest, dass ihr die Luft wegblieb.
    „Mein Töchterchen“ , schluchzte der Hüne wieder und wieder, während dicke Tränen über seine Wangen liefen. „Tief drinnen in meinem Herzen habe ich es immer gehofft und wollte doch nicht das Vatergefühl in mir aufkeimen lassen, um nicht aufs Neue enttäuscht zu werden. Aber geliebt habe ich dich immer wie mein eigenes Kind.“
    „Ich weiß …“, sagte Isabella und stockte, bevor sie fortfuhr, „… Vater.“
    „Wird’s bald?“, schimpfte Fernando vom Kutschbock herab. Bis über den Kopf eingemummelt in schwere Pelze, hatte er mit den Pferden, die ebenso dick eingepackt waren, in einer Seitengasse stundenlang ihres Kommens geharrt. „Die Tiere und ich sind fast zu Eiszapfen gefroren. Gegen diese Kälte helfen die wärmsten Klamotten nichts, wenn man ihr reglos ausgeliefert ist. Also hopp, hopp. Vor uns liegt ein weiter Weg. Und die Häscher können jeden Moment Lunte riechen und uns verfolgen.“
    „Fernando, lieber Vetter, beinahe hätte ich dich in deiner seltsamen Verkleidung nicht erkannt. Lass dich herzen und küssen. So viel Zeit muss sein.“ Isabella freute sich, den Zigeuner wohlbehalten zu sehen, schob seine Pelzmütze beiseite und küsste ihn ungestüm.
    „Schön, dass du aus dem Tollhaus fliehen konntest. War eine verdammt lange Zeit, in der wir immer wieder versucht haben, dich zu befreien. Aber du bist noch längst nicht in Sicherheit. Heben wir uns die Umarmungen für später auf.“
    Fernando hatte nicht übertrieben. Es wurde eine endlose Fahrt von Paderborn in Isabellas neues Zuhause. In ihrer Freude über die überraschende Freiheit hatte sie nicht darüber nachgedacht, dass sie nicht wieder in die Heimat reisen konnte. Dort würden die Hexenjäger zuerst suchen.
    „Wo fahren wir hin?“, fragte sie nach Abfahrt der Kutsche.
    „Ans Meer“, gab der Henker Auskunft.
    „Und du?“
    „Ich komme mit. Werde in Zukunft von den Paderbornern genauso gehetzt wie du. Wenn sie mich erwischen, ist der nächste Baum meiner.“ Er brachte ein trauriges Grinsen zustande.
    „Du willst deine Verwandtschaft, Freunde und Kollegen für mich aufgeben?“
    „Das ist der Preis.“
    Mit gemischten Gefühlen sah Isabella den ehemaligen Nachbarsjungen an. Dass seine Liebe zu ihr derart groß war, hatte sie nicht gewusst, fühlte sich plötzlich unwohl in ihrer Haut. Was erwartet er als Gegenleistung von mir, überlegte sie. Die Bilder der letzten Wochen, in denen sie jeden Abend geschändet wurde, flammten kurz vor ihren Augen auf. Rasch verdrängte sie die frischen Erinnerungen, schaute betreten zu Boden.
    „Du fragst gar nicht nach deinen Kindern“, sagte der Vater und legte seinen Arm wie einen Schutzschild um ihre Schultern, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
    „Wie geht es ihnen? Tag und Nacht habe ich mich nach ihnen gesehnt“, erwiderte Richards Tochter, dankbar für den Themenwechsel.
    „ Sie sind ordentlich gewachsen, mein Mädchen. Du wirst sie kaum wieder erkennen. Deine Tanten und Basen kümmern sich rührend um die Knaben. Bald wirst du sie selbst umsorgen können. Die gesamte Sippe wartet auf deine Ankunft.“  
    „Ich habe mich so sehr nach meinen Söhnen gesehnt. Nichts war so schlimm wie die Ungewissheit darüber, was aus ihnen geworden sein mag.“
    „Zigeuner familien halten zusammen. Glaubst du im Ernst, dass sie nicht für die Kleinen gesorgt hätten, Isabella?“
    „Woher sollte ich ahnen, dass alle überlebt haben oder vielleicht doch eher den wahnsinnigen Hexenjägern zum Opfer gefallen sind? Heutzutage braucht doch nur eine Nachbarin die andere der Hexerei zu bezichtigen, und es ist um die Ärmste geschehen. Unter der Folter gesteht jede die irrwitzigsten Gräueltaten.“
     
     
    53
     
    Richard rüttelte Isabella an den Schultern. Sie war mitten im Gespräch eingeschlafen und hatte von der eisigen Tour nichts mitbekommen. Sogar, dass unterwegs Pferde und Kutscher ausgetauscht wurden, hatte ihren Schlummer nicht unterbrechen können. Total erschöpft von den Strapazen der letzten Wochen, schlief sie in Vaters Armen dem neuen Zuhause entgegen. Weder sein heftiger werdendes Schütteln noch die Umarmungen und Küsse der sie umringenden Familie weckte sie aus süßen Träumen.
    Erst Tante

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