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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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verschwand. Dieses Leben wäre in Kürze aus ihrem Gedächtnis verschwunden und nur noch die trostlose Wirklichkeit übrig. Es war ein schmerzliches Gefühl des Verlustes, das alle Rückkehrer erfüllte. Deshalb schnitten sich viele von ihnen die Unterarme auf, um mit einem verklärten Lächeln auf dem Gesicht auszubluten, bevor das Licht in ihrer Seele erlosch.
    Sie sah Janick betrübt an. »Uns wird das nicht passieren, oder?«
    »Nein«, sagte er bestimmt und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Es gibt zu viel, worauf wir hoffen können.«
    Judith erwiderte sein Lächeln und schmiegte sich an ihn.
    »Thomas hat mit mir kein Wort mehr gesprochen«, fuhr Janick fort. »Erst in der Heilanstalt vertraute er mir an, dass er eine Blutprobe von Martin genommen hat, in der sich das Gift der Kreaturen befand. Er hat es untersucht und ein Gegenmittel entwickelt. Thomas hat damals ununterbrochen Medizinbücher gewälzt und kaum mehr als vier Stunden geschlafen. Ich dachte, er hätte den Verstand verloren. Aber jetzt weiß ich, er hat an etwas Großem gearbeitet.«
    Janick atmete tief ein und stieß die Luft als langen Seufzer wieder aus. »Vor einigen Wochen war er plötzlich fort, ohne sich von mir zu verabschieden. Mutter war schon vor Jahren verstorben, sodass ich allein in der Siedlung zurückblieb. Ein Widerständler hat mir verraten, dass Thomas in die Außenwelt aufgebrochen war, um herauszufinden, wie man diese Wesen töten kann.«
    Janick schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Ich hatte mich noch nie so feige gefühlt. Ich wusste, wäre ich kein solcher Angsthase gewesen, hätte Thomas sich nicht von mir abgewendet und mir sein Vorhaben mitgeteilt. Ich fühlte mich schuldig, dass er fort war und wohl niemals zurückkehren würde.«
    »Deshalb hast du dich entschlossen, ihm in die Finsternis zu folgen«, sagte Judith.
    Janick nickte. »Zwei Wochen, nachdem er gegangen war, verließ ich die Siedlung, um ihn zu finden. Ich wusste, dass die Suche praktisch aussichtslos war und ich draußen in der Finsternis wohl nur den Tod finden würde. Aber außer Einsamkeit und Schuldgefühlen war mir nichts geblieben. Ich wünschte, ich hätte Thomas beigestanden, anstatt ihn im Stich zu lassen. Ich war so ein verdammter Feigling.«
    »Du hast in den letzten Tagen genügend Mut für ein ganzes Leben bewiesen«, sagte Judith und legte ihre Hand auf seine Wange. »Du bist deinem Bruder in die Dunkelheit gefolgt und hast in der Heilanstalt dein Leben aufs Spiel gesetzt, um das meine zu retten. Dafür bin ich dir sehr dankbar.«
    Sie beugte sich zu ihm und küsste seine Wange. Janick nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Eine kurze Weile hielten sie einander fest, ohne ein Wort zu sagen. Sie wussten, dass sie in Kürze wieder in den heulenden Wind hinausgehen mussten, und wollten noch einen Augenblick lang in der Stille verweilen. Sie spürten, ja erlebten ihre gegenseitige Zuneigung und wünschten sich nichts sehnlicher als gemeinsame Augenblicke dieser Art, erfüllte Momente der Nähe, ohne Angst und Dunkelheit. Aus der Hoffnung auf dieses künftige Leben schöpften sie die Kraft für den weiten Weg, der noch vor ihnen lag.
    »Wir müssen jetzt aufbrechen«, sagte Janick schließlich, weil es gesagt werden musste.
    »Ich weiß«, erwiderte Judith und löste sich aus seiner Umarmung.
    Dann machten sie gemeinsam den ersten Schritt auf einer langen Reise, bereit für das zu kämpfen, wovon sie in verbundener Seele träumten. Entschlossen gingen sie zur Tür und betrachteten vor dem Verlassen der Hütte ein letztes Mal jene Fotografie, die von einer hellen Vergangenheit kündete. Das Bild erinnerte sie daran, dass die Wolkendecke nur eine Fassade war, hinter der die Sonne noch schien.

Der Weg zur Siedlung
    Als sie hinaustraten und dem tosenden Wind wieder schutzlos ausgeliefert waren, kroch ihnen die Kälte gleich wieder unter die Kleidung. Sie verzogen das Gesicht und kämpften gegen den Sturm an, der ihnen frontal entgegenschlug.
    Diesem Bach folgt ihr entgegen der Strömung.
    Ja, ihr Weg war lang und schwer, doch sie wussten, er führte sie ans Ziel: einem gemeinsamen Leben in einer erhellten Welt. Sie spürten, dass sie sich ihrem Traum mit jedem Schritt näherten, und schöpften aus dieser glücklichen Aussicht eine ungeheure Kraft. Sie folgten dem Zug ihrer verbundenen Herzen, der stärker war als jeder Orkan.
    Die Welt war ihnen zuvor als bedrohliches Totenreich erschienen; doch seitdem sie dem

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