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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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äußern. Die Siedler waren dankbar, dass einige den ersten Schritt auf dem rechten Weg gewagt hatten, auf dem sie ihnen nun folgen konnten.
    Nicht einmal die ehemalige Führerschaft beklagte noch den Widerstand, sondern schwieg ehrfürchtig im Angesicht der erwachten Kampfmoral. Sie schwebte wie eine greifbare Aura durch die Siedlung und bewirkte ein nie da gewesenes Gemeinschaftsgefühl. Alle verstanden nun, wie die Kreatur etwas so Stoffloses wie den menschlichen Geist aus dem Körper zu schälen vermochte; die Empfindungen der Seele waren mehr als bloße Ideen, die nur im Denken des Einzelnen existierten, ohne eine Wirkung nach außen zu entfalten. Der menschliche Geist war voller Tatendrang, sofern er nicht in Ketten lag und frei von Ängsten blieb. Er war realer als die tote Materie, die den starren Gesetzen der Natur unterlag und ohne eigenen Willen war. Der Geist formte das Körperliche, wirkte als erster Beweger auf das Unbewegte und verstand es, das eigene Schicksal zu lenken. Die Vernunft befähigte den Menschen zur Veränderung der Welt nach seinen Vorstellungen, während sein Gewissen ihn flüsternd dabei anwies und die Menschlichkeit bewahrte. Die Zeit war gekommen, da sie lieber starben, als in Unfreiheit zu leben, und so traten sie der Bedrohung nun endlich furchtlos und mit vereinter Kraft entgegen, anstatt sich ihr noch länger zu unterwerfen.
    Obwohl das Wesen dies ahnte und einen solchen Gemeingeist unter den Menschen noch kürzlich sehr gefürchtet hatte, eilte es weiter heran – in gewohnter Zahl, zur gewohnten Stunde, nach gewohntem Brauch. Seine Vorherrschaft erschien ihm nach wie vor unangetastet, und seine Absicht bestand unverändert darin, jene Sünder zu bestrafen, die ihrem offenbarten Gott den Gehorsam verweigerten. Die Kreatur hielt am Thron fest, nachdem ihre Untertanen sich längst von den Ketten losgerissen hatten und der Palast bereits in Flammen stand; sie klammerte sich an eine Übermacht, die keine mehr war, und schwor auf eine Überlegenheit, die es nicht mehr gab. Das Wesen beharrte auf seine Unfehlbarkeit und ließ es nicht zu, dass seine Herrschaft bröckelte. Es bewahrte sich die Überzeugung von seiner Göttlichkeit und fiel auf diese Weise seiner eigenen Illusion zum Opfer, mit der es so lange die Menschheit betrogen hatte.
    Die Widerständler starrten auf die heranrasenden Ausgeburten, die wider Erwarten völlig schutzlos waren. Immer wieder ließen sie sich über Funk bestätigen, dass keine weiteren Bestien aus den anderen Himmelsrichtungen nahten. Natürlich hatten sie vorsorglich rings umher Lichtkanonen installiert, doch sie stellten nun mit Erstaunen fest, dass sie diese offenbar nicht brauchten. Aber mehr und mehr verstanden sie das scheinbar Unbegreifliche und teilten den Gedanken, indem sie einander schweigsam in die Augen sahen: Hybris .
    Janick beobachtete mit wohlwissender Miene die heranstürmenden Bestien und wiederholte, was er vor Kurzem prophezeit hatte: »Teuflische Ungeheuer, die sich für göttliche Boten halten, sind seit jeher tief gefallen.«
    Alle nickten, während die Kreaturen nun sehr nah waren und in ihrer schrecklichen Gestalt deutlich zu erkennen. Thomas beugte sich nach vorn und spähte durch das Zielfernrohr der Lichtmaschine. Er nahm eines der Ungetüme – und somit sie alle – ins Visier und drehte am Rädchen, um die Schärfe zu regulieren.
    Würde die Kreatur wirklich in solcher Überheblichkeit ihr eigenes Ende heraufbeschwören? Wären die Menschen nach so langer Zeit in Knechtschaft endlich wieder frei? Blieben sie verschont von einem Höllenreich des ewigen Schmerzes, das die Kreatur wohl als Strafe für sie vorsah? Würde die Finsternis vergehen und die Sonne wieder scheinen, um neues Leben zu erschaffen?
    Sie hofften es. Und solange sie hofften, durften sie träumen.
    Und auch im Traum blieben sie vereint und teilten in Gedanken ihre Wünsche, sodass der Faden zwischen ihren Geistern sich noch enger schnürte. Was Janick und Judith auf ihrer Wanderung im Kleinen erlebt hatten, vollzog sich nun im Großen; niemand benötigte noch Worte, die ohnehin nicht an das Innere der Dinge heranreichten und das unberührte Wesen der Seele nur in Zerrbildern spiegelten. Jeder schaute in die Gefühlswelt seines Nächsten, indem er ihm tief in die Augen sah und in die gedankenvolle Lebendigkeit jenseits der Pupillen vordrang. So kam es, dass schon bald alle auf Janick blickten, dessen verträumtes Gedankenspiel am intensivsten war und in

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