Die Heilanstalt (German Edition)
den Tiefen seiner blauen Iris schimmerte.
Er träumte so hoffnungsvoll, wie er es in der Hütte am Bach getan hatte, nachdem sein Blick auf jenes Bild eines verliebten Paares gefallen war, Kevin und Helen, die sich in einer sonnenbeschienenen Lichtung am Stamm einer Linde geküsst hatten. Janick erinnerte sich an seine Sehnsucht, einen so besonderen Augenblick einmal selbst zu erleben, wie er sie nur aus einer geliehenen Erinnerung kannte. Er wollte im Regen unter Bäumen wandeln und den Geruch nasser Blätter wahrnehmen, wollte Sternschnuppen beobachten, die sich in wolkenlosen Nächten zeigten, wollte Sonnenaufgänge erleben, deren orangerotes Leuchten den Horizont entzündete, wollte Schnee auf der Handfläche schmelzen lassen und spüren, wie er kalt an seinem Handgelenk hinablief, wollte mit nackten Füßen über weite Strände laufen, während der heranströmende Ozean rauschend seine Beine umspülte, wollte in der Nacht unter Sternen wandern und am Tag im Sonnenlicht die Augen kneifen.
Es waren diese Augenblicke, die das Bewusstsein erhoben und für immer im Gedächtnis blieben, die die Seele ergriffen und bis in alle Zeit bereicherten, die den Geist formten und das Denken prägten, die auf den tiefen Grund der Empfindung hinabsanken und die Wahrheit des Menschen offenbarten. Eine Wahrheit, die den Einzelnen unverwechselbar machte und durch keine geborgte Erinnerung zu ersetzen war.
Janick wollte auf eine Weise leben und fühlen, wie er es nie zuvor konnte, und den Zauber einer hellen Welt verspüren, von der die Stimme der Hoffnung sprach. Als Mensch durfte er von der Rückkehr der Sonne träumen; denn sein Herz war empfänglich für ihr Licht und die hohen Erlebnisse, die aus ihm hervorgingen.
Die Kreatur war an die Finsternis gebunden und auf den Raub fremder Seelen angewiesen; sie würde niemals mit eigenen Sinnen das Höchste empfinden, sondern musste bis in alle Zeit Vorgekautes kosten, das kaum noch Geschmack enthielt. Sie musste für immer in den Tiefen fremder Gefühle fischen, die ihr nie vertraut werden konnten; ihr Reich war ein trübes Gewässer, das niemals rein wäre.
Und so schaute Janick gar mit Mitleid auf die herannahenden Bestien und dachte zum ersten Mal, dass es nicht der Hochmut war, der sie ins Verderben laufen ließ, sondern ein lang gehegter Todeswunsch, der sie von einem Leben ohne Empfindsamkeit erlöste. Janick glaubte an keinen letzten Trick, an keine vorgetäuschte Schwäche als Meisterstück der Illusion. Er vertraute auf den Traum vom Licht, der die Menschen seit Jahrzehnten am Leben erhielt.
Die Kreaturen erreichten schnaufend das Tor und hoben erwartungsvoll den Blick.
Thomas richtete das Zielfernrohr auf eines der roten Augenpaare und löste einen gleißenden Lichtblitz aus.
Und die Wesen, die niemals blinzelten und in Wahrheit eins waren, sahen lächelnd hin.
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