Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
Vom Netzwerk:
gewöhnlich innerhalb einer Stunde Linderung. Feyra fürchtete eher, wegen ihrer Verspätung Schwierigkeiten zu bekommen. Auf dem Nachttisch stand eine Schale mit geeisten Früchten, und ihr eigener Magen begann sie knurrend daran zu erinnern, dass sie noch nichts gegessen hatte. Die über den Rand der Schale hängenden Trauben lockten sie. Sie streckte eine Hand aus, um sich eine abzupflücken, aber vom Bett her erklang ein weiteres Stöhnen, woraufhin sie die Hand rasch zurückzog. »Hat sie nach mir gefragt?«
    »Nein. Sie fragt nach Cecilia Baffo.«
    »Wer ist Cecilia Baffo?«
    »Das wissen wir nicht. Keine von uns weiß es.« Kelebek deutete auf die Odalisken, die für das Bett des Sultans bestimmten Konkubinen in der Ausbildung. Fünf junge Frauen, alle schön, alle in weiße Gewänder gekleidet, und alle bissen sich auf die Lippen oder blickten zu Boden. Obwohl sie ungebildet und unerfahren waren, wussten sie doch, dass etwas nicht stimmte.
    Von einem Gefühl drohenden Unheils erfüllt, stieg Feyra die Stufen des Podests empor und zog die feinen bestickten Musselinvorhänge des Bettes zurück.
    Die Mutter des Sultans lag mit halb geschlossenen Augen zusammengekrümmt auf dem Bett. Ihre Haut wies einen unnatürlichen Ton irgendwo zwischen der Farbe von Galle und ausgebleichten Knochen auf. Die Adern am Hals traten blau und schwarz hervor, als ringelte sich eine Alraunwurzel um ihren Nacken. Ihre für gewöhnlich vollen, rosigen Wangen waren eingefallen, und unter ihre Augen schien jemand violette Schatten gemalt zu haben. Das blonde Haar war feucht, strähnig, dunkel vor Schweiß und klebte an ihrer Stirn. Nurbanu war eine Frau von vielleicht fünfzig Jahren, normalerweise rundlich und hellhäutig wie eine Ausländerin. Doch jetzt wirkte die Haut unter dem juwelenbesetzten Bettgewand schlaff, aschgrau und fleckig, und das Fleisch schien so locker auf ihren Knochen zu sitzen, als wäre es angestochen worden wie eine Blase. Die Schreie und das Stöhnen waren abgeebbt, und Nurbanu schien jetzt zu schlafen.
    Feyra tastete nach dem Handgelenk der Valide Sultan, um den Blutfluss zu überprüfen. Der leichte Druck bewirkte, dass ihre Herrin sich regte, stöhnte und mit dem Akzent einer fremden Sprache zu stammeln begann: »Cecilia Baffo. Cecilia Baffo.«
    Nurbanus für gewöhnlich leise und melodische Stimme glich jetzt dem Krächzen einer Krähe. Sie schlug mit einem Ruck die blutunterlaufenen, milchigen Augen auf, schien Feyra aber zu erkennen. Sie flüsterte den Namen des Mädchens, zog sie zu sich hinunter und redete in einer Sprache mit ihr, die nur Feyra verstand – Nurbanus Muttersprache. Eine Sprache, die federte und tänzelte wie Pferdehufe und in der jedes Wort mit einem a oder o zu enden schien. Die Valide Sultan hatte ihr diese Sprache beigebracht – Phönizisch hatte sie sie genannt –, seit sie als kleines Mädchen begonnen hatte, mit ihrem Vater den Palast zu besuchen. Sie war zu einer Geheimsprache zwischen ihnen geworden, die nur zum Erörtern der privatesten Angelegenheiten der Valide Sultan benutzt wurde, und dieser Sprache bediente sie sich jetzt. »Du musst es ihm sagen. Sag es ihm, Feyra. Du und nur du.«
    Feyra glaubte zu verstehen. Jetzt doch von Furcht gepackt, wandte sie sich an Kelebek. »Wir müssen den Arzt verständigen und den Sultan benachrichtigen.«
    »Nein!« Die Valide Sultan setzte sich plötzlich hellwach und sichtlich verängstigt auf. »Cecilia Baffo. Cecilia Baffo. Vier Reiter, sie reiten und reiten. Komm und sieh.« Nurbanus Atem roch faulig, und ein weißlicher Speichelfaden hing von ihrem Kinn herab. Feyra beruhigte sie und streichelte ihr wie einem Kind die Wange, bis ihre Herrin wieder in einen unruhigen Schlaf fiel.
    Feyra trat zurück, schloss den Bettvorhang hinter sich und winkte Kelebek zu sich. »Cecilia Baffo«, murmelte sie. »Wer ist das? Und wer sind die vier Reiter?«
    Kelebek zuckte die Achseln. »Meine Herrin wurde vor vielen Jahren von Korsaren hergebracht, die sie gefangen genommen hatten. Könnten es vier gewesen sein?«
    »Möglich. Aber was ist mit dem Namen? Wer ist Cecilia Baffo?«
    »Ich weiß es nicht!« Kelebeks Stimme klang schrill vor Angst.
    Feyra dachte nach. »Beschreib mir ihren Tagesablauf. Ganz genau, von Sonnenaufgang an.«
    Kelebek knetete ihre Finger. »Sie erwachte und befahl uns, sie in ihr juwelenbesticktes Bettgewand zu kleiden, weil sie Besuch erwartete.«
    Feyras Augen wurden schmal. Es verstieß nicht gegen das Protokoll, wenn

Weitere Kostenlose Bücher