Die heimliche Gemahlin
etwas zu essen für uns?“ Er nahm einige Silbermünzen aus dem Geldbeutel und zeigte sie Seth. „Es muss wirklich nichts Besonderes sein. Nur ein wenig Brot und was du sonst noch erübrigen kannst.“
„Mama hat mir ein Abendbrot zurechtgemacht. Ich teile es gern mit Ihnen.“ Seth wies auf den Stall. „Sie können Ihr Pferd da hineinbringen. Meine Eltern sind mit unseren beiden unterwegs. Es ist also Platz. Ich bringe Ihnen gleich etwas zu essen, sobald ich mich umgezogen habe.“ Er wollte schon hineingehen, da fiel ihm noch etwas ein: „Wenn Sie sich den Schmutz abwaschen möchten, da vorn ist eine Pumpe, und in einer Schale daneben liegt Seife.“ „Wir sind dir wirklich sehr dankbar“, erklärte Daniel und drückte Seth die Münzen in die Hand. Der stand wie versteinert da und starrte auf das Silbergeld, als würde es sich jeden Augenblick in Rauch auflösen. Wahrscheinlich hatte der Arme noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen, nach dem mitleiderregenden Eindruck zu urteilen, den die Farm machte. Hier gibt es wahrlich nicht viel zu bewachen, dachte Daniel.
Endlich steckte der Junge die Münzen in die Hosentasche. „Gleich wieder da“, murmelte er und ging dann eilig ins Haus.
Während Seth die Mistgabel an die Wand neben der Tür lehnte und drinnen verschwand, schritt Daniel zurück zu Wallace’ Pferd. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Helena, die zur Pumpe hinüberhumpelte. Ihm krampfte sich der Magen zusammen. Er hasste es, dass Helena sich mit eiskaltem Wasser waschen und im Heu schlafen musste. Eine wunderbare Frau wie sie verdiente ein heißes Bad, kostbare Bettwäsche und eine Decke aus weichsten Daunen. Aber am schlimmsten schien ihm, dass er sie durchs halbe Land hetzte, ohne zu wissen, welche Gefahren auf der Reise lauern mochten.
Was ihm jedoch endgültig das Herz brach, war ihr enttäuschter Gesichtsausdruck. Hätte er den verdammten Wallace doch bloß erschossen, bevor der alles über Daniels Vergangenheit hatte verraten können!
Weshalb gibt sie mir eigentlich das Gefühl, ich müsse mich für meine Vergangenheit schämen, dachte er. Schließlich war es nicht einmal seine Schuld, dass sie sich falsche Vorstellungen von seiner Zeit bei den Schmugglern gemacht hatte. Und genau genommen, änderte es doch nichts zwischen ihnen, jedenfalls, was ihn anging.
Die Erinnerung daran, wie sie ihn angeschaut hatte, als Wallace ihr mit diesem hässlichen Lächeln von Daniels alten Verbindungen erzählt hatte ...
Zum Teufel mit dem Kerl! Jetzt wusste sie genau, was für ein Halunke er selbst gewesen war. Bisher hatte sie ihn lediglich für einen Frauenhelden gehalten, aber nun war er in ihren Augen ein bösartiger Schurke! Ihr frostiges Benehmen und die wütenden Blicke sprachen Bände! Allein, dass sie die Reise überhaupt mit ihm fortsetzte, spendete ihm Trost. Doch andererseits: Besaß sie denn eine andere Wahl?
Gesenkten Hauptes führte er das Pferd in den Stall und begann, es abzusatteln. Als Helena kurz darauf eintrat, hielt sie den Hut in der einen Hand und ein schmutziges Taschentuch in der anderen. Beides hängte sie an Nägel, die aus einem der hölzernen Pfosten ragten. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und das Haar ausgespült, das ihr feucht und schwer um die Schultern fiel.
Der Anblick ließ sein Herz schneller schlagen. Eilig zwang er sich, sich abzuwenden, und widmete all seine Aufmerksamkeit dem Pferd, das er nun abrieb. Er war damit fast fertig, als Helena endlich das Wort an ihn richtete.
„Daniel?“
„Was?“ fragte er knapp.
„Du sagtest heute Morgen, es würde leicht sein, Juliet zu befreien, wenn nichts Unvorhergesehenes geschähe. Meintest du damit, dass Crouchs Männer nicht herausfinden dürfen, dass du die Verfolgung aufgenommen hast? Und wer du wirklich bist?“
„Ja.“ Er nickte
„Wallace stellt jetzt eine Gefahr für uns dar, stimmt das?“
„Ja, verdammt“, antwortete er rüde. Warum schlich sie wie die Katze um den heißen Brei herum? Er konnte das nicht ertragen. „Aber eigentlich beunruhigt dich doch etwas ganz anderes.“
„Und worum sollte es sich dabei handeln?“
Teufel, diesen arroganten Ton hatte er das letzte Mal in London von ihr gehört. „Ich spreche davon, dass du vor jeder meiner Berührungen furchtsam zurückschreckst und mir kaum in die Augen schauen kannst. Du vertraust mir nicht mehr.“
„Ich wüsste nicht, weshalb ich dies noch tun sollte. Falls du triftige Gründe dafür weißt, teile sie mir doch
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