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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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juristisch als auch emotional ein Verbrechen darstellt, während »Untreue« und »Treulosigkeit« an Unehrlichkeit und Betrug denken lassen, »Seitensprünge machen« und »fremdgehen« dagegen ein Verhaltensmuster von unemotionalen Begegnungen suggeriert. In der wissenschaftlichen amerikanischen Literatur wird inzwischen überwiegend von außerehelichem Sex (AES) gesprochen, und allein dieser Begriff scheint frei von dem Urteil zu sein, das in den anderen implizit enthalten ist; dennoch habe ich die meisten dieser Begriffe in diesem Buch synonym verwendet, da ich die Worte benutzen wollte, die die Frauen selbst gebrauchten, und ihnen Gelegenheit geben wollte, die Bedeutung ihrer Liaisons für sie selbst zu erklären.
    Ich habe meine Aufmerksamkeit auf sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe beschränkt, obwohl mir Soziologinnen und PsychotherapeutInnen versicherten, daß nichtsexuelle außereheliche Beziehungen als ebenso kompliziert und erschütternd empfunden werden können wie sexuelle. Ich habe meine Überlegungen auch bewußt auf heterosexuelle Beziehungen beschränkt, obwohl natürlich viele Frauen außerehelichen Sex mit anderen Frauen haben. Darüber hinaus habe ich keine Frauen befragt, die in »offenen« Ehen leben, da deren Verhaltensregeln in bewußtem Gegensatz zu den Regeln für Paare in »geschlossenen« Ehen stehen und dieses Buch von letzteren handelt.
    Eine eingehende Beschäftigung mit den beteiligten Männern und Kindern hätte bedeutet, ein anderes und konventionelleres Buch zu schreiben. Mir ging es hier um die Frauen und ihre emotionale Verfassung als Ergebnis ihrer außerehelichen Beziehung bzw. Beziehungen, nicht um ihre Ehen oder ihre Familien. Dieses Bestreben hat etwas Überraschendes zutage gefördert. Denn wenn es stimmt, was die Psychiaterin Jean Baker Miller behauptet, daß die meisten Frauen ihr Leben damit zubringen, »Gutes zu tun und sich dabei schlecht zu fühlen«, so bin ich dem Gegenteil begegnet: Frauen, die »Schlechtes« taten und sich dabei gut fühlten.
    Ich interessiere mich jetzt mehr denn je für die unerhörte Fähigkeit von Frauen zur Übertretung von Normen. Und außerehelicher Sex oder »zügellose Leidenschaft«, wie Nathaniel Hawthorne es nannte, ist die entschiedenste Verletzung des Normenkatalogs, der Frauen bewertete, sie in ihren bürgerlichen Freiheitsrechten einschränkte und immer noch einschränkt, trotz der offenkundigen Veränderungen in ihrem Leben, ihrer Umwelt und ihren Erwartungen — Veränderungen, die sich ihre Mütter noch vor wenigen Jahrzehnten nicht hätten vorstellen können.
    Ich fordere Sie auf, beim Weiterlesen all Ihre vorgefaßten Meinungen beiseite zu schieben und zuzuhören. Die folgenden Frauen gibt es wirklich.

2. »Ich wollte alle beide«

    Diesmal hatte sie einen Augenblick lang das Bewußtsein verloren, für June ein Zeichen, daß sie ihre Orgasmusfähigkeit endlich, glücklich wiedererlangt hatte. Das ganze Jahr über hatte sie schon mit Jonathan geschlafen, aber erst jetzt war sie imstande, sich ihren eigenen körperlichen Empfindungen ganz hinzugeben. Sie verspürte eine Reaktionsbereitschaft, die sie schon vor längerer Zeit verlassen zu haben schien. Er hatte ihr vorgeworfen, sie sei »anhedonisch«, ein Wort, das sie nie zuvor gehört hatte und das niemand in der ganzen Welt außer Jonathan benützen würde. »Das ist das Gegenteil von Hedonismus«, erklärte er, und sie spürte, daß sich hinter dieser Erklärung eine Irritation verbarg. Sie hatte es als Kritik aufgefaßt, eine subtilere Version des alten Angriffs, eine Frau, die der Mann nicht zu befriedigen vermochte, als frigide zu bezeichnen.
    Jetzt war sie rehabilitiert. Er war ebenso froh wie sie über ihren Sieg, aber sie feierten nicht laut, sie sahen einander nur dankbar an. Mit weichen Knien widmeten sie sich ihrem anschließenden Badezimmerritual, wobei sie ihre üblichen lärmenden Proteste, den winzigen, engen Raum miteinander teilen zu müssen, übertrieben. Sie gingen unter die Dusche. Wie üblich, stieg sie vor ihm wieder heraus und ließ ihn mit dem kläglichen Wasserdruck allein.
    In Junes Reisetasche mit den schwindenden Vorräten ihrer verschiedenen Kosmetika befand sich eine große grüne Dose mit Rasierschaum, die sie irrtümlich statt ihrer grünen Dose mit dem Haarfestiger eingepackt hatte. Diese plötzliche Erinnerung an ihren Mann war wie ein Schnitt mit der Rasierklinge, die perfekte Sabotage ihrer Orgasmusfeier mit Jonathan. Aha, dachte sie.

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