Die heimliche Päpstin
Streit, bei aller Eifersucht letztlich zusammenhält! Aber nein, Alberico hatte seinen Bruder in den Schwitzkasten genommen und zerrte ihn vor seinen Vater, gab ihm noch einen Stoß, so daß Giovanni mit blutender Nase auf das Bett zutaumelte. Marozia schrie auf, nahm ihn in den Arm, drückte ihn an sich, bis ihr Nachtgewand blutbefleckt war.
Wir alle wußten, daß Giovanni auch ohne Anlaß zu Nasenbluten neigte. Alberico hatte bereits häufiger Prügel bezogen, wenn er zu heftig mit ihm balgte oder ihn zu Boden rang. Er war kein schlechter Junge, war sogar zunehmend nachdenklich, wißbegierig geworden und ließ sich von den großen Herrschern der Griechen und alten Römer erzählen. Nicht einmal übermäßig draufgängerisch war er, auch wenn sein Vater ihn zu einem echten Mann, zu einem Jäger und Krieger, erziehen wollte.
»Er weigerte sich zu kommen«, rief Alberico, wobei er seinen Vater ängstlich anschaute.
»Das ist gelogen«, heulte Giovanni auf.
Ich merkte, daß Alberich sein Auftritt bereits leid tat, daß er eigentlich gar nicht wissen wollte, wer Giovannis Vater wirklich war, oder es längst geahnt hatte, denn der Junge ähnelte so wenig ihm selbst.
Ich hatte ein Tüchlein genommen und wischte Giovanni das Blut aus dem Gesicht, als Marozia, statt zu schweigen, sich nicht enthalten konnte, Vater und Sohn Alberich zuzurufen: »Was seid ihr für widerliche Kerle!«
Einen Augenblick befürchtete ich eine erneute Aufwallung der Wut. Doch ich war mir sicher, daß Alberich sich vor den Augen seiner Söhne nicht an Marozia vergreifen würde. Ich sah zudem, daß sein Zorn einer verzweifelten Trauer wich, auch wenn er bemüht war, diese Trauer nicht zu zeigen. Er richtete sich auf, streckte seinen Körper und schaute Giovanni forschend ins Gesicht. Mit der Andeutung eines Nickens wandte er sich ab, gab seinem zweiten Sohn einen Wink und verließ mit ihm den Raum.
Marozia blieb eine Weile auf ihrem Bett stehen, mit höhnisch verzogenem Mund, die Haare offen und wirr, halb nackt und stumm.
»Geh wieder schlafen!« flüsterte ich Giovanni zu, der bereitwillig gehorchte und sich linkisch aus dem Raum drückte.
Kaum war er verschwunden, kippte Marozia um, wie gefällt. Es war keine Ohnmacht, kein Schwächeanfall, keine Erleichterung. Eher ein Moment der Erkenntnis, der sie stürzen ließ.
Sie starrte bewegungslos an die Decke.
Ich ließ sie allein.
Während dieser Nacht schlief ich nicht mehr. Noch vor Sonnenaufgang ritt ich in die Via Lata, um nach Theodora zu schauen.
In unserem alten Haus herrschte große Aufregung. Die Herrin sei verschwunden, erfuhr ich, könne aber weder Haus noch Garten verlassen haben, sie sei am späten Abend in den Vorratsräumen gesehen worden und seitdem nicht mehr auffindbar.
»Weiß denn keiner …?«
Ich schaute in ratlose Gesichter.
»Kommt mit mir in den Keller!«
Ich ging voran und suchte an der Wand zwischen den Weinamphoren und Ölfässern nach dem Auslösemechanismus für die Geheimtür. Es dauerte eine Weile, bis es mir gelang, sie zu öffnen und den Blick in den dunklen, muffigen Gang freizugeben. Die Umstehenden bekreuzigten sich. Ich rief nach Theodora, ohne mehr als den Hall meiner Stimme zu hören.
47
Mit einer Fackel in der einen, einem großen Wollknäuel in der anderen Hand stand ich vor dem schwarzen Schlund, der mir entgegengähnte. Ich hatte mich an Euthymides' Erzählung vom Tod des Minotaurus erinnert, ich wußte, wie Ariadne ihrem Geliebten Theseus den Rückweg aus dem Labyrinth ermöglicht hatte: Daher begab ich mich, noch bevor Theodoras Töchter, Alberich und Crescentius erschienen, im flackernden Lichtschein in die Tiefe der Unterwelt, begleitet allein von einem alten Knecht, dem ich seit Jahrzehnten vertraute. Wir riefen nach Theodora, und ich versuchte mich an den Weg zu erinnern, den wir vor Jahren gegangen waren. Aber alle Stollen sahen gleich aus, die Abzweigungen ähnelten sich, manche Wege endeten vor Mauern, und von Theodora fand sich keine Spur. Als der Wollfaden endete, zeichneten wir Pfeile auf den Boden und an die Wände. Trotz der Kühle schwitzte ich vor Erregung. Schließlich gelang uns sogar, bis zu den Bestattungsorten vorzudringen und einen genauen Blick auf die Totenköpfe zu werfen: leere Augenhöhlen, grinsende Gebisse, zerschlagene Schädelknochen – aber kein Gold.
Und nirgendwo Theodora.
Dafür überall, mehr oder weniger stark, der Gestank nach Verwesung.
Schließlich kehrte ich mit meinem Begleiter um. Wir
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