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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Schädel ab, fand nirgendwo Spuren von Gold – und nirgendwo Spuren einer Leiche, obwohl der Verwesungsgestank mich wie ein Fluch verfolgte. Ich rollte den Faden ab, tastete mich in alle Gänge – aber als ich schließlich in eine Kammer geriet, durch die bereits ein Faden führte, gestand ich mir die Sinnlosigkeit meiner Suche ein.
    Wieder zurück in der Via Lata, traf ich auf mißtrauische Gesichter, und natürlich bemerkte ich, daß sich die Dienerschaft hinter vorgehaltener Hand die abenteuerlichsten Geschichten erzählte. Ich war sicherlich nicht die einzige, die auf den Gedanken gekommen war, daß Theodora Rom verlassen haben könnte. Auf keinen Fall würde sich Theodoras Gang in die Unterwelt geheimhalten lassen, und schon bald hörte ich von Aaron die ersten Gerüchte. Sie kreisten jedoch nicht um Theodoras wundersame Rettung und Wiederauferstehung von den Toten, sondern schoben Alberich und Marozia einen Mord an ihrer Mutter unter.
    Auch die Enkel hatten ihre Großmutter ein letztes Mal sehen wollen und stellten Fragen, als ihnen ein verschlossener Sarg präsentiert wurde. Marozia fuhr sie barsch an, erreichte aber nur, daß der junge Alberico seinen Vater aufsuchte, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Später sah ich ihn Tränen vergießen, gerade ihn, der danach strebte, ein harter blonder Recke zu werden. Die kleine Berta weinte, weil sie überhaupt nicht verstand, was vor sich ging. Begriffen hatte sie allerdings, daß sie ihre Großmutter nie wiedersehen würde. Giovanni hatte die Texte des Requiems auswendig lernen sollen, hatte sich jedoch geweigert und war tagelang kaum zu sehen, und wenn, dann schweigsam und mit gesenktem Haupt.
    Am Abend, nachdem die Nachricht von Theodoras Ableben verkündet worden war, erschien Papst Johannes in Begleitung seines angeblichen Bruders Pietro, zweier Kardinäle und eines Kammerdieners im Palast, um einen letzten Blick auf seine frühere Geliebte zu werfen und für ihr Seelenheil zu beten. Auf dem Weg in die Kapellengruft, in der das goldene Kreuz des Belisar hing und der Sarg aufgestellt worden war, stellte er mit der Miene unverkennbarer Mißbilligung die Frage, warum er nicht rechtzeitig gerufen worden sei, um seiner geliebten Tochter die Sterbesakramente zu spenden und ihr auf diese Weise den Weg ins Himmelreich zu ebnen.
    Marozia setzte, ohne zu antworten, ein von Trauer umflortes, um Verzeihung bittendes und zugleich liebeschwangeres Lächeln auf. Papst Johannes schaute sie erstaunt und mit einer sich vertiefenden Falte zwischen den Augen an und beschleunigte seinen Schritt.
    Keiner sprach, als wir die Treppe hinabstiegen. Die Fackeln rußten. Das Kreuz schimmerte in düsterem Gold. Papst Johannes versuchte, sich sein erbostes Erschrecken nicht anmerken zu lassen, als er vor dem verschlossenen Sarg stand.
    »Öffnet ihn!« befahl er. »Ich will meine Tochter ein letztes Mal sehen.«
    Crescentius schaute nach unten, Theodora die Zweite schluchzte laut auf, auch Marozia begann zu weinen.
    »Die Verwesung hat bereits eingesetzt«, erklärte Alberich stockend. »Daher mußten wir den Sarg verschließen. Wir bitten Euch, Heiliger Vater, möglichst morgen schon die Totenmesse zu halten, damit wir unsere geliebte Mutter an der Seite ihres unvergessenen Gemahls zur letzten Ruhe betten können.«
    »Soll der Trauergemeinde ein verschlossener Sarg vorgesetzt werden?« herrschte ihn Papst Johannes an.
    Alberich antwortete nicht. Statt dessen schob sich Alberico vor und erklärte, auch er habe seine Großmutter nicht mehr gesehen. »Sie ist gar nicht im Palast gestorben …«
    »Sondern?« fiel ihm der Papst ins Wort.
    »In der Via Lata«, ergänzte Alberich unwillig.
    Während der junge Pietro in wissendem Hohn grinste, schaute Papst Johannes mißtrauisch in jedes einzelne unserer Gesichter, auch in meins. Natürlich spürte er das Geheimnis, das Theodoras Tod umgab, und so trat er schließlich nah an mich heran. »Du warst ihre Schwester in leidvoller Erfahrung und gemeinsamer Mutterschaft«, sagte er leise, aber eindringlich. »Wie ist sie gestorben?«
    Ich überlegte eine Weile, bevor ich antwortete. Dann erklärte ich: »Sie hat den Ruf ihrer Eltern gehört und wollte ihm folgen.«
    Sein Blick suchte die Wahrheit in meinen Augen. Ich weiß nicht, welche Schlußfolgerung er zog. Schließlich flüsterte er, mehr zu sich selbst als zu mir: »Ich hätte mich während der letzten Jahre um sie kümmern müssen«, und wandte sich dem Sarg zu. Er kniete nieder,

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