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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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der wankenden Loggia erreichte, eilte sie mir bereits entgegen, gefolgt von Theophylactus und Alberich. Sie stürzte zu den Kindern, riß die vor Angst zitternden Mädchen an sich.
    Alexandros stand breitbeinig dabei, fing ungewöhnlich ruhig, ja, in ehrfürchtigem Staunen, die Erdstöße ab und beobachtete das Schwanken der Zypressen. Ich wollte ihn an mich drücken, er wirkte jedoch so in sein Staunen verloren, so abweisend und zugleich zerbrechlich, daß ich nur kurz über seine Haare strich – was er überhaupt nicht wahrzunehmen schien.
    Die Erde konnte nicht lange gebebt haben, und doch zog sich das Rumpeln, Grollen und Schwanken hin, als wolle es nie enden. Dann war es plötzlich vorbei. Vorsichtig traten wir auf, als könnte der Boden unter uns wegbrechen. Tatsächlich kam ein letzter Stoß, der heftiger war als die vorherigen und einen breiten, gezackten Riß durch eine Mauer zog. Aus der Ferne hörten wir lautes Krachen und Gepolter: Vermutlich stürzte ein Gebäude ein.
    Eine Weile warteten wir noch, verängstigt lauschend, bis alle gleichzeitig zu rufen und zu schreien begannen. Procurator Martinus wagte sich als erster ins Haus, gefolgt von Alberich, um nach möglichen Verletzten und Schäden zu sehen. Theophylactus befahl einigen der Haussklaven, die zerbrochenen Ziegel aufzulesen und die lockeren auf den Dächern zu befestigen.
    »Ihr bleibt im Garten«, rief er uns zu, bevor er ebenfalls im Haus verschwand.
    Zum Glück hatte sich niemand ernsthaft verletzt, und auch die Schäden an unserem Gebäude waren gering.
    Auf der Straße tobte, wie so häufig, heftiger Lärm. Ich schaute heraus. Die Händler, deren Verkaufsbuden zusammengefallen waren, bemühten sich unter Geschrei und Gefuchtel, die Tische und Zeltplanen wieder zu errichten und ihre Waren vom Boden aufzulesen. Zugleich strömte immer mehr Volk nach Süden, und aus den Rufen hörte ich das Wort Luterano heraus. Theophylactus trat auf die Straße und hielt einen ihm bekannten Senatorensohn an, der nichts Genaues wußte. Ein vorbeieilender Zimmermann rief ihm zu, die Lateran-Basilika und das Patriarchum seien eingestürzt, dies sei die Strafe Gottes für den Frevel an Papst Formosus.
    Nun war kein Halten mehr. Theophylactus rief seine Leibwächter und Alberich herbei, der sich seine Tunika überzog, das Schwert umgürtete und wie ein sprungbereites Raubtier auf die Via Lata trat.
    »Wohin wollt ihr?« Theodora packte ihren Mann an seinem Gewand, doch er hatte keine Augen für sie.
    »Zum Lateran!« rief er seinen Männern zu und begann, sich mit ihnen einen Weg durch die immer dichter werdende Masse zu bahnen. Alberich war bereits vorausgeeilt.
    Theodora blieb verunsichert im Hausportal stehen. Dann winkte sie mich herrisch herbei. »Wir müssen ihnen folgen«, erklärte sie und befahl Martinus, das Haus zu sichern, die Kinder unter zuverlässige Aufsicht zu stellen und keinen Fremden einzulassen. Da ein Großteil der Bewaffneten bereits unterwegs war und der Rest unbedingt zum Schutz unseres Anwesens zurückbleiben mußte, entschied sie sich, mit mir allein loszuziehen. Sie warf sich eine weite Stola über Kopf und Schultern und zog mich auf die Straße, wo uns die aufgeregte Menge in Richtung Lateran schob.
    Je mehr wir uns der Basilika näherten, desto langsamer kamen wir voran. Wir hörten Worte wie Gottesfrevel und Strafe des Herrn, sogar Rufe nach Rache am Papst wurden laut: »Schlagt ihn tot wie einen räudigen Hund!«
    Wir stolperten über einen Toten, der von der über ihn trampelnden Menge bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden war. Verletzte schrien, niemand achtete auf sie. Alle drängten weiter.
    Uralte Mietshäuser, in denen Roms Arme zusammengepfercht hausten, waren eingestürzt und hatten zahlreiche Bewohner unter sich begraben. Die Überlebenden versuchten mit bloßen Händen, ihre Angehörigen auszugraben. Feuer waren ausgebrochen und verbreiteten einen schwarzen, süßlichen Rauch.
    Endlich erreichten wir die Basilika: ein riesiger Trümmerhaufen unter einer Wolke aus Staub und Dreck, bedeckt von Menschentrauben, die auf ihm herumkrabbelten wie gierige Fliegen. Ich fragte mich, ob während des Erdbebens eine Messe oder eine Pilgerversammlung stattgefunden habe, ob die Menschen also nach Überlebenden suchten, aber ich begriff rasch, daß sie nichts als plündern wollten: die kostbaren Reliquienbehälter und Weihegeschenke, die hier aufbewahrt waren, den Gold- und Silberschmuck, die Altaraufsätze, Monstranzen und

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