Die heimliche Päpstin
Agiltrud und Freund ihres Sohnes Lambert, ein unschlagbarer Schwertkämpfer, ein kluger Stratege zudem und im Haus nicht ganz unbekannt. Als er auftauchte mit seiner blonden Löwenmähne und den zwei Grübchen, wußte ich, wen sie meinte: Es war der gutgelaunte Langobarde Alberich, auf dem Theodoras wohlwollende Augen schon einmal geruht hatten.
»Und welche Aufgabe soll er übernehmen?« fragte ich sie.
»Er unterstützt unsere Seite gegen die Formosianer, die noch immer nicht klein beigeben. Er ist ein Mann der Zukunft.«
17
Alberich lachte noch immer häufig und laut, erzählte Witze, über die er sich selbst am meisten amüsieren konnte, und sein athletischer Körper erinnerte mich an die Akrobaten, die im Hippodrom zu Konstantinopel zwischen zwei Wagenrennen ihre Kunststücke zeigten. Stets trug er sein Schwert bei sich und übte oft in unserem Garten Fechtkampf, Lanzenwerfen und Bogenschießen. Die Wachen, die ihm als Fechtpartner dienen mußten, hatten keinen leichten Stand und wurden regelmäßig verletzt, obwohl sie in Rüstung kämpften und Alberich, insbesondere wenn Theodora zuschaute, seinen Oberkörper unbekleidet präsentierte. Er trug dann nur eine Art Röckchen und darunter einen Lendenschurz. Die strammen Beine ließ er ebenfalls nackt. Dies alles war ungewöhnlich und provozierte Gelächter unter den Mitgliedern der familia, aber Alberich verstand nicht immer den Humor seiner Zuschauer und konnte recht grob werden.
Auch Marozia und Alexandros waren gern dabei, wenn sein Schwert Funken sprühte oder der Pfeil in das schwarze Zentrum seines Ziels schwirrte. Marozia klatschte begeistert in die Hände, wenn Alberichs Gegner stöhnend am Boden lag und er, den Kopf triumphierend erhoben, ihm in gladiatorischer Pose den Fuß auf die Brust setzte. Er freute sich über ihre Begeisterung, rammte sein Schwert in den Boden, gab dem Besiegten lachend einen Fußtritt, nahm Marozia auf den Arm und warf sie so hoch in die Luft, daß sogar den harkenden Gartensklaven der Atem stockte.
Meine Mariuccia wollte keine Angst zeigen und rief: »Nochmal!« Erneut flog sie in die Höhe, wirbelte dann, an Fuß und Hand gehalten, um Alberichs Körper; schließlich forderte er sie auf, sich zu strecken und ganz steif zu machen, und er stemmte sie auf einem Arm dem Himmel entgegen. Als er sie auf seiner emporgestreckten Hand stehen lassen wollte, brach Theodora das Spiel ab.
Alberich lachte wieder, und ehe Theodora sich versah, wurde sie selbst spielerisch in die Höhe gestemmt. Sie kreischte vor Erschrecken auf, ein theatralischer Ruf der Empörung folgte und ein fast zärtlicher Schlag auf Alberichs blonde Mähne. Schon stand sie wieder auf dem Boden, einen Augenblick unsicher, ob sie unseren Gast zurechtweisen sollte. Alberich verneigte sich tief. Die Kinder klatschten, mit ihnen die Dienerschaft. Ich hielt mich zurück.
Nun gab Theodora Alberich einen leichten Klaps auf die Wange. Wie von einem schweren Schlag gefällt, ließ er sich vor ihre Füßen fallen, um sich sofort wieder im Handstand aufzurichten. Seine Muskeln traten schweißnaß hervor und sein Röckchen fiel über den Lendenschurz. Die kleine Marozia versuchte es ihm nachzumachen, fiel jedoch in ein Beet. Schon stand Alberich auf den Füßen, hob sie empor, küßte sie auf die Wangen, stellte sie auf den Boden und klopfte den Schmutz von ihrem Kittel.
»Genug der Vergnügungen!« rief Theodora und gab Alberich mit dem Kopf einen Wink, ihr ins Haus zu folgen. Die Dienerschaft nahm die Arbeit wieder auf, die Kinder bedrängten mich, vor dem Lernen noch ein wenig im Garten herumtollen zu dürfen.
In diesem Augenblick geschah etwas Unerwartetes.
Wie aus dem Nichts heraus umfing uns ein tiefes Grollen, und schon hörten wir die ersten schrillen Schreie, wir wankten und packten das Nächstbeste, das uns Halt geben konnte. Mein Herzschlag setzte aus, bis ich begriff, was geschah: Die Erde bebte. Zuerst war es nur ein kurzes Rucken, doch dann verstärkte sich das Grollen und Rumpeln, der Boden bewegte sich in heftigen Stößen, die Angst ließ mir die Knie weich werden. Die ersten Ziegel schepperten von den Dächern und zerbrachen auf den Marmorböden, die Säulen wankten, das Holz der Dachkonstruktionen krachte. In Panik kamen Männer und Frauen, die Hände über den Kopf haltend, aus dem Haus gerannt. Einige bluteten. Ich rief den Kindern zu, nur ja im Garten zu bleiben, und wollte ins Haus eilen, um nach Theodora zu sehen, doch bevor ich die erste Säule
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