Die heimliche Päpstin
an der Einkerkerung des Papstes mitgewirkt hatten, ihm zu folgen und somit ins Exil zu gehen, und brach nach zwei Wochen mit seinem Heer auf, um die bissige Wölfin Agiltrud und den Gegenkaiser Lambert in Spoleto niederzuringen.
Während betrunkene Volksmassen im Freudengeheul und unter lallender Verhöhnung des caesar teutonicus durch die Via Lata strömten, brachte ich die Kinder zu Bett. Unsere Mägde schickten Dankgebete gen Himmel für die Gnade der intakt gebliebenen Keuschheit, ließen sich jedoch kaum davon abhalten, sehnsüchtig aus den vergitterten Fenstern auf die Straße zu schauen. Auf dem Campo dei Fiori gab es, so hatten sie gehört, trotz der Fastenzeit ein Volksfest mit gebratenen Ochsen und ausgelassenem Tanz. Theodora rief uns alle zu einem Dankgebet zusammen. Als ich schließlich dazustieß, nachdem auch Alexandros eingeschlafen war, entfuhr mir unwillkürlich ein leiser Schrei des Erstaunens: Sergius hielt die Andacht.
»Woher kommt denn der Diaconus?« fragte ich Martinus, der mich mit sanften Augen anschaute und mir zuflüsterte: »Er hielt sich in einem unserer Vorratskeller versteckt, hinter der Ölpresse.«
Die Stadt feierte noch mehrere Tage. Als sie erschöpft niedersank, um ihren Rausch auszuschlafen, eilte, wie auch immer es entstanden war, das Gerücht durch die Stadt, der barbarische Hurensohn Arnulf, der sich als teutonischer Trottel von den gerissenen Römern wie ein Tanzbär an der Nase habe herumführen lassen, sei vergiftet worden, noch bevor er Spoleto habe erobern können. Martinus flüsterte mir das Gerücht zu und schüttelte zugleich ungläubig den Kopf. Ich erwartete erneut Menschenmassen im Freudentaumel, aber diesmal blieb, bis auf wenige Betrunkene, die Via Lata ruhig.
Zwei Tage später berichtete Theodora, der Teutone Arnulf sei tatsächlich vergiftet worden, allerdings noch nicht tot.
Am Abend traf Sergius mit einer kleinen Schar von Adligen ein, die zum harten Kern der gegen Papst Formosus gerichteten Partei gehörten, und besprach sich mit Theophylactus und Theodora, die darauf bestand, daß ich zuhören solle, um mögliche Verräter an ihrer Mimik und Gestik zu erkennen. Natürlich gab sich niemand als Verräter zu erkennen, aber ich erfuhr von den soeben eingetroffenen Kundschaftern, daß der kaiserliche Barbar Arnulf, geschwächt wahrscheinlich weniger vom Gift als von der Liebeskraft römischer Kurtisanen, darniederliege und, unfähig zu reiten und daher in Sänften getragen, fluchtartig nach Norden eile. Es wurde unter Schulterklopfen dröhnend gelacht, bis Sergius in die Runde rief: »Als nächster muß Formosus unter der Masse weiblicher Schenkel ersticken.«
Wieder Gelächter und der Einwurf: »Vor lauter Enttäuschung über die Abreise des Teutonen soll er bereits das Bett hüten.«
Sergius rief: »Das ist unsere Chance. Wir müssen Nägel mit Köpfen machen.«
Alle waren sich einig.
Und tatsächlich starb Papst Formosus bald darauf, am 4. April 896 nach der Menschwerdung des Herrn; seine Gemächer wurden mit Freuden geplündert, die Exequien fielen kurz, das Begräbnis bescheiden aus.
»Jetzt wird Sergius Papst«, flüsterte mir Theodora triumphierend zu, »und das wird unser großer Gewinn sein.«
16
Es kam alles anders: Nach dem Tod des Formosus wurde nicht Sergius auf den Stuhl Petri gesetzt, sondern ein hoher Prälat der Formosus-Fraktion namens Bonifatius VI. und zwar unter Umgehung aller ohnehin vagen Wahlregularien. Erneut Aufstände, tobende Volksmassen – niemand wußte genau, wer gegen wen die Fäuste schüttelte. Bonifatius nahm seinen Platz ein, hielt seine erste Messe als Bischof von Rom und höchster geistlicher Würdenträger der Kirche und war nach zwei Wochen tot.
Jedem war klar, daß er ermordet worden sein mußte, doch niemand wußte, von wem. Natürlich fiel der Verdacht auf die Partei des Sergius und seiner Freunde aus Spoleto und Tuszien. Aus diesem Grund stellten seine Anhänger nicht ihn selbst zur nächsten Wahl, sondern eine seiner Marionetten, und tatsächlich gelang es ihnen, diese Marionette zu inthronisieren. Der neugewählte Papst, Stephan VI. mit Namen, entstammte wie Sergius dem römischen Adel und hatte mit ihm die Klosterschule besucht.
Kaum hatte er sich im Lateran eingerichtet, geschah etwas Unglaubliches: Als eine der ersten Amtshandlungen befahl der neue pontifex maximus, seinem längst beigesetzten Vorvorgänger Formosus nachträglich den Prozeß zu machen. Der halb verweste Formosus wurde aus seiner
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