Die Heiratsschwindlerin
mitfühlenden Blick zu.
»Das können wir nicht!«, schrie Olivia verzweifelt. »Es ist alles arrangiert! Es ist alles organisiert!« Sie dachte einen Augenblick nach, dann fuhr sie zu Milly herum. »Weiß Simon davon?«
Milly schüttelte den Kopf. In Olivias Augen erschien ein Glitzern.
»Nun, dann können wir die Hochzeit immer noch durchziehen«, sagte sie rasch. Ihre Blicke schnellten von einem zum anderen. »Wir wimmeln Lytton ab! Wenn keiner von uns ein Wort sagt, wenn wir den Kopf hochhalten …«
»Mummy!«, rief Isobel. »Du sprichst von Bigamie!«
»Na und?«
»Olivia, du bist verrückt«, protestierte James entrüstet. »Die Trauung muss abgesagt werden, ganz klar. Und wenn du mich fragst, dann hat das auch sein Gutes.«
»Wie meinst du das?«, fragte Olivia hysterisch. »Wie meinst du das, das hat auch sein Gutes? Das ist das Schrecklichste, was unserer Familie je zugestoßen ist, und du behauptest, das hat auch sein Gutes?«
»Ehrlich gesagt, halte ich es für gut, wenn bei uns mal wieder der Alltag einkehrt!«, rief James zornig. »Diese ganze Hochzeit ist außer Kontrolle geraten. Es geht doch nur noch um Hochzeit, Hochzeit, Hochzeit! Du redest von nichts anderem mehr!«
»Nun, irgendjemand muss sie ja organisieren!«, kreischte Olivia. »Hast du eine Ahnung, wie viel ich klären muss?«
»Ja, das habe ich!«, brüllte James ungehalten. »Tausende! Jeden Tag hast du tausend verdammte Dinge zu erledigen! Ist dir klar, dass das pro Woche siebentausend Dinge sind? Was ist das, Olivia? Eine Expedition zum Mond?«
»Du willst es einfach nicht verstehen«, meinte Olivia bitter.
»Die ganze Familie ist besessen! Ich finde, Milly, es wäre sehr gut für dich, wenn du eine Weile mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren würdest.«
»Wie meinst du das?«, fragte Milly zittrig.
»Milly, du schwebst doch sonstwo! Du hast dich in diese Ehe gestürzt, ohne darüber nachzudenken, was sie bedeutet, ohne alle anderen Möglichkeiten zu erwägen. Ich weiß, Simon ist ein äußerst attraktiver junger Mann, ich weiß, sein Vater ist sehr reich …«
»Das hat überhaupt nichts damit zu tun!« Millys Gesicht war aschfahl geworden. »Ich liebe Simon! Ich möchte ihn heiraten, weil ich ihn liebe.«
»Du glaubst, du liebst ihn«, wandte James ein. »Aber vielleicht ist das eine gute Chance für dich, noch eine Weile zu warten. Schau, ob du nicht zur Abwechslung mal auf eigenen Füßen stehen kannst. Wie Isobel.«
»Wie Isobel«, echote Milly mit ungläubiger Stimme. »Immer willst du, dass ich wie Isobel bin. Die ja so verdammt perfekt ist!«
»Natürlich möchte ich das nicht«, versetzte James ungeduldig. »So habe ich das nicht gemeint.«
»Du möchtest, dass ich das mache, was Isobel macht.«
»Vielleicht«, räumte James ein. »Manches davon.«
»Daddy …«, begann Isobel.
»Na gut!«, schrie Milly und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. »Wenn du unbedingt willst. Dann heirate ich eben nicht! Und werde stattdessen schwanger, so wie Isobel!«
Atemlose Stille trat ein.
»Schwanger?«, fragte Olivia fassungslos.
»Vielen Dank, Milly«, sagte Isobel kurz und schritt zur Tür.
»Isobel …«, begann Milly. Doch Isobel war bereits aus dem Zimmer gestürzt und hatte die Tür ohne einen Blick zurück hinter sich zugeschlagen.
»Schwanger«, wiederholte Olivia. Sie tastete nach einem Stuhl und setzte sich.
»Ich wollte das eigentlich gar nicht sagen«, murmelte Milly, entsetzt über sich selbst. »Könnt ihr nicht einfach vergessen, was ich gesagt habe?«
»Du bist verheiratet«, sagte Olivia erschüttert. »Und Isobel ist schwanger.« Sie sah auf. »Stimmt das wirklich?«
»Das ist ihre Sache«, erwiderte Milly und sah zu Boden. »Das geht mich nichts an. Ich hätte den Mund halten sollen.«
Ein Klingeln an der Tür ließ alle aufschrecken.
»Das wird Isobel sein.« James erhob sich. Er öffnete die Tür und machte einen Schritt zurück.
»Ah«, sagte er. »Simon, du bist es.«
Isobel ging den Bürgersteig entlang, ohne stehen zu bleiben, ohne zurückzusehen, ohne zu wissen, wohin. Ihr Herz hämmerte, die Lippen hatte sie fest zusammengepresst. Der Schnee war inzwischen matschig; ein kalter Sprühregen benetzte ihr Haar und tropfte ihren Hals hinunter. Aber mit jedem Schritt fühlte sie sich ein bisschen besser. Jeder Schritt brachte sie der Anonymität näher und fort von den schockierten Gesichtern ihrer Familie.
Noch immer bebte sie vor Zorn. Sie fühlte sich
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